Timmy Simons: Ein fast perfekter Mannschaftsspieler

23.4.2012, 07:48 Uhr
Timmy Simons: Ein fast perfekter Mannschaftsspieler

© dpa

Das Fußballspiel im Frankenstadion war erst ein paar Sekunden aus, als Timmy Simons zur Ersatzbank lief. Zielstrebig und ohne Umweg, obwohl dort nicht mehr viel los war. Sämtliche Profis hatten sich längst zur Lagebesprechung auf den Platz begeben, bloß ein paar Betreuer saßen noch außen. Genau die meinte Simons aber mit seiner Geste; er klatschte die Physiotherapeuten, den Mannschaftsarzt und den Zeugwart ab, als Dank für ihre Leistung am Samstagnachmittag.

Für Simons selbstverständlich und nicht der Rede wert. „Das ist normal“, sagt der Belgier am nächsten Vormittag, „wir haben ja zusammen gearbeitet.“ Als Einheit. Einer für alle, alle für einen. Klingt altmodisch, ist aber beim 1. FC Nürnberg erneut die Basis gewesen für eine verhältnismäßig erfolgreiche Saison. Und mittendrin: Timmy Simons, 35.

Vor knapp zwei Jahren hatten sie ihn von der PSV Eindhoven geholt, natürlich ablösefrei. In der Anschaffung teure Profis kann und will sich der Club nicht leisten, zumal es in der Bundesliga ein paar durchaus abschreckende Beispiele gibt für professionelle Geldvernichtung. Nicht nur der Hamburger SV hat über seine Verhältnisse gelebt; unlängst sickerte durch, dass der Traditionsverein seine Gehaltskosten zur neuen Saison von 47 auf 35 Millionen Euro herunterfahren müsse. „Im Moment stehen wir finanziell nicht gut da“, sagte Sportchef Frank Arnesen unlängst dem Hamburger Abendblatt, es drücken erhebliche Altlasten.

Abschreckende Beispiele

Und enttäuschte Hoffnungen. Wer viel ausgibt, erwartet auch viel; dass die aktuelle HSV-Elf wohl nicht wert ist, was sie gekostet hat, war auch am Samstag kaum zu übersehen. Und die Liste der mutmaßlich Überschätzten ist lang: Berg, zehn Millionen Euro Ablöse. Jansen, acht Millionen. Westermann, 7,5 Millionen. Petric, 7,3 Millionen. Kacar (der sich vorgestern kurz vor Schluss bedauerlicherweise den linken Knöchel brach und noch am Abend im Nürnberger Südklinikum operiert werden musste), 5,5 Millionen. Ilicevic, vier Millionen. Und so weiter.

Wären Nürnbergs Sportdirektor Martin Bader in den vergangenen Jahren vier, fünf Jahren ähnlich viele Fehleinkäufe passiert, hätte man ihn längst geteert und gefedert aus der Stadt gejagt. So aber bleibt vom samstäglichen 1:1 die nicht nur für Bader ermutigende Erkenntnis, dass man auch mit wenig Geld, aber viel Sachverstand, einen konkurrenzfähigen Kader zusammenbasteln kann.

Qualität ist nicht durchweg abhängig vom Einkaufspreis, wie auch die Personalie Simons zeigt. Der Belgier glänzt nicht mit Tricks und Traumpässen, sondern mit Fitness und taktischer Disziplin. Von 66 möglichen Bundesligaeinsätzen bestritt Simons 66, also alle, 65 davon über 90 Minuten. Insgesamt rannte er bisher knapp 800 Kilometer für sein Team, das tägliche Üben nicht mit eingerechnet.

Keine Angst vor Fehlern

Gegen Hamburg sah er vor dem 0:1 wie ein paar andere Nürnberger ziemlich schlecht aus, bereitete aber das 1:1 per Flanke aus dem Halbfeld vor. Ansonsten stürzte er sich wie gewohnt von einem Zweikampf in den nächsten und versuchte zudem, die Lücke zwischen Abwehr und Mittelfeld zu schließen. Prägnant: Simons bietet sich auch an, wenn es aufgrund gegnerischer Störversuche eng wird. Weil er keine Angst davor hat, auch mal einen Fehler zu machen. 

„Das hat auch mit Erfahrung zu tun“, sagt Simons, der am Samstag gewiss nicht seine beste Leistung im Club-Trikot gezeigt hat, aber auch nicht seine schlechteste. Wobei es ihm nicht darum geht, seinen Namen alle zwei Wochen in irgendeiner Elf des Tages zu lesen. Wirklich wichtig ist ihm nur die Gruppe.

Simons, der fast perfekte Mannschaftsspieler. „Ich versuche, immer da zu sein“, sagt er, auf und neben dem Platz. Für den 1. FC Nürnberg. „Zu keiner Sekunde“ habe er bereut, überhaupt hierher gekommen zu sein, seine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2014 sei vor allem dem Charakter der Kollegen geschuldet. „Hut ab vor unseren Jungs“, sagt Simons, „zusammen sind wir richtig stark.“

Auch ohne Stars, deren Eitelkeit wohl nur stören würde beim alljährlich neuen Versuch, den Marktmechanismen zu trotzen. Dass ein paar Nürnberger vielleicht nicht so bekannt sind, „heißt ja nicht, dass wir keine Klasse haben“, entgegnet Simons, „wir funktionieren eben.“ Vom Zeugwart bis zum Torwart.

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