Trotz Sieg: DFB-Elf enttäuscht in Nürnberg

14.11.2014, 23:01 Uhr
Trotz Sieg: DFB-Elf enttäuscht in Nürnberg

© Sportforto Zink

Sicherheitshalber hatte man vorher natürlich die Archive bemüht, ein im olympischen Fußballturnier 1912 in Stockholm erstrittenes 16:0 gegen Russland (für das allerdings die Leichtathleten des Zarenreichs spielten) bedeutet den bisher höchsten Sieg in der deutschen Länderspielgeschichte. Jünger ist das 13:0 von San Marino (das war 2006), und etwa in dieser Größenordnung hatten Optimisten auch am Freitag gerechnet.

Einen historischen Rekord erlebte das ausverkaufte Nürnberger Frankenstadion aber nicht, im vierten Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft 2016 beließ es die deutsche Mannschaft bei einem sehr moderaten 4:0 (3:0) über Gibraltar – vor 43.520 Zuschauern, mehr Menschen, als Gibraltar Einwohner hat. Der Mannschaftsbus der Gäste stand, wie von Trainer Allen Bula versprochen, tatsächlich nicht im Tor Gibraltars, sondern vorm Stadion, auf das Spielgeschehen hatte das aber keinen wesentlichen Einfluss, und natürlich entzog sich der Ablauf den sonst üblichen detaillierten Bewertungen.

Für Joachim Löws Weltmeister, die damit in der Qualifikationsgruppe D weiterhin drei Punkte hinter Polen liegen, gehören solche Übungen zu den Pflichtterminen, die im Energiesparmodus absolviert werden. Für die Fußballer in den roten Trikots war es das Spiel ihres Lebens und so oder so ein historischer Abend. Unterstützt von 500 Fans aus der britischen Übeersee-Enklave in Spanien und ermuntert von einem freundlichen fränkischen Publikum, das ihnen aufmunternden Beifall spendierte, hielten sie es sogar lange offen – relativ lange jedenfalls, denn es dauerte elf Minuten und zehn Sekunden, ehe Thomas Müller nach Shkodran Mustafis Flankenlauf zum 1:0 abstaubte.

Im Abschluss leidlich unfertig

Die Gäste antworteten mit einem entschlossenen Sturmlauf – oder einem relativ entschlossenen; Liam Walker, der einzige in Gibraltar beschäftigte Profi des Amateurteams, zielte nur eine Minute später tatsächlich Richtung Tor, aus rund 50 Metern halblinker Position, Manuel Neuer – gelegentlich schon einmal im Mittelkreis postiert – fing den Ball unter Applaus und war damit immerhin ein bisschen warmgespielt für die Übung, die angesichts der Umstände zur spektakulärsten des Abends geraten sollte. Als wieder Walker kurz vor der Pause es direkt mit links aus diesmal 34 Metern versuchte, musste der verblüffte Neuer sein ganzes weltmeisterliches Können aufbieten, um ein Gegentor zu verhindern.

Ansonsten führte Gibraltar eine Art 7-2-1-Formation vor, die sich im Bedarfsfall flexibel in ein 9-0-1 veränderte, im Grunde sah man, den wackeren und recht quirligen Stürmer Lee Casciaro ausgenommen, ausschließlich als Verteidiger und einen guten Torwart Jamie Robba, im Zivilberuf Feuerwehrmann, der tüchtig mithalf, an seinem großen Traum zu arbeiten – nämlich gegen den Weltmeister weniger Gegentore zu kassieren als Brasilien im WM-Halbfinale.

Da stand es zur Halbzeit schon 5:0, am Freitag ging es mit einem 3:0 in die Pause, wieder Müller auf Vorlage von Lukas Podolski und Mario Götze fanden Lücken im roten Abwehrwall. Tempo und Spielwitz, wie es der Bundestrainer versprochen hatte, konnte die Mannschaft eher ansatzweise vorführen, was das gut gelaunte Publikum, das den Abend wie eine öffentliche Trainingseinheit nahm, ihr aber nicht übel nahm.

Mit mehr Ernsthaftigkeit und Esprit; in einer Mischung aus Mitleid und Lässigkeit geriet mancher Abschluss leidlich unfertig, je weniger mit zunehmender Spieldauer ein Debakel drohte, desto fröhlicher schwenkte der Anhang aus Gibraltar in der Südkurve seine Fähnchen. Nach weiteren torlosen 15 Minuten brachte Löw mit Kevin Volland (für Sami Khedira) noch einen Offensiven mehr auf den Platz, das Gedrängel rund um den Strafraum wurde noch dichter, irgendwann musste , das war wohl die Idee, noch ein Ball irgendwie durchrutschen. So kam es, nach Podolskis Herereingabe besorgte der gerade eingewechselte Yogan Santos den vierten Treffer per Eigentor.

Der Gewinner: Jamie Robba

Gibraltar brachte noch Kyle Casciaro (für seinen Bruder Lee), den einzigen Siegtorschützen in Gibraltars Länderspielgeschichte (beim 1:0 über Malta), Löw verhalf dem Kölner Jonas Hector zum Debüt, dessen Verteidigungskünste allerdings keiner ernshaften Prüfung mehr unterzogen wurden. Neuer musste noch einmal gegen Walker parieren (74.).

Der große Sieger des Abends hieß aber Jamie Robba. Der Torwart und seine Spielkmeraden hatten tatsächlich besser abgeschnitten als der fünfmalige Weltmeister Brasilien.

Deutschland: Neuer – Mustafi, Boateng, Durm (72. Hector) – Khedira (60. Volland), Kroos (80. Bender) – Bellarabi, Götze, Podolski – Müller, Kruse

Gibraltar: Robba - Garcia , Artell , Wiseman , R. Casciaro , J. Chipolina - R. Chipolina , Sergeant (58. Santos) - B. Perez (90.+1 Priestley), Walker - L. Casciaro (72. K. Casciaro)

Tore: 1:0 Müller (12.), 2:0 Müller (29.), 3:0 Götze (38.), 4:0 Santos (67. Eigentor) | Gelbe Karten:  | Schiedsrichter: Tudor (Rumänien) | Zuschauer: 43.520 (ausverkauft).

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