Über Brasilien nach Franken: Fürths Neuer im Fanprojekt

20.10.2018, 12:24 Uhr
Das Fanprojekt Fürth hat mit Martin Curi einen neuen Leiter.

© Sportfoto Zink/WoZi Das Fanprojekt Fürth hat mit Martin Curi einen neuen Leiter.

Sein erstes Fußballspiel in einem Stadion war gleich ein Derby. Im Bayern-Fanblock des Olympiastadions erlebte Martin Curi als Teenager die Partie FC Bayern München gegen den 1.FC Nürnberg. "Meine ganze berufliche Laufbahn ist auf Fußball aufgebaut", erzählt er bei seinem Antrittsbesuch in der Redaktion der Fürther Nachrichten.

Curi ist kein Sozialpädagoge und auch kein Erzieher wie die beiden anderen Mitarbeiter im Fanprojekt Fürth, Christjan Böncker und Matthias Kosubek. Er studierte Soziologie, machte seinen Doktor in Anthropologie. "Während des Studiums habe ich mitbekommen, dass es Fanprojekte in Deutschland gibt", erinnert er sich.

Zwischen Büchern, Bildung und Pelé

Die erste Berührung mit dieser Art Sozialarbeit hatte er schließlich in Karlsruhe. In seiner Diplomarbeit befasste er sich mit Fanszenen in Brasilien, seine Promotion schrieb er über die brasilianischen WM-Stadien. In 16 Jahren in dem südamerikanischen Land, wo er heiratete und als Dozent an der Universität arbeitete, verfasste er auch zwei Bücher. "Brasilien, Land des Fußballs" beleuchtet den Stellenwert des Volkssports in dem Land des fünfmaligen Weltmeisters. Die Biografie "Arthur Friedenreich, das vergessene Fußballgenie" erzählt die Geschichte eines Fußballstars, der in den 1910er- und 1920er-Jahren so herausragend war wie später Pelé.

Was das alles mit Fürth zu tun hat? Erst einmal gar nichts, und doch dürfte Curi sein Überblick über die große Welt des Fußballs helfen, in der Kleeblattstadt mit jungen Fußballfans zu arbeiten. Denn das Fanprojekt versucht, "zu verstehen, wie junge Fans ticken. Wir gehen dahin, wo sie sich treffen, bieten aber auch einen Treffpunkt an". Das Projekt gehört zur Kinderarche, einer gemeinnützigen Gesellschaft für Jugendarbeit. Deren Leiterin Heidemarie Eichler-Schilling hört zum Jahresende auf, wodurch Curis Halbtagsstelle im Fanprojekt geschaffen wurde.

Seit August ist er unter der Woche in den Räumen in der Theresienstraße 17 anzutreffen, am Wochenende steht er im Fanblock. Manchmal werden er und seine beiden Kollegen als Vermittler gebraucht, "wir sind eine Drehscheibe zwischen Verein, Presse und Polizei", beschreibt er seine Arbeit. Das Fanprojekt arbeite unabhängig und sei nicht zu verwechseln mit dem Fanbeauftragten des Vereins, Patrick Benninger.

Anerkannt bei den Ultras

Das Vertrauen in der Szene ist groß, auch die Fürther Ultragruppen pflegen die Nähe zu der Einrichtung; in einem Raum können sie etwa ungestört Fanutensilien herstellen. "Ultra ist eine unglaublich spannende Jugendszene", findet Curi. Als er vor 16 Jahren im Ronhof ein Spiel verfolgte, herrschte dort viel weniger Stimmung als heute. Ihn begeistert die Arbeit, die sich die Fangruppen machen, wenn sie Choreografien vorbereiten. Außerdem produziere jede der beiden Ultra-Gruppen zu jedem Heimspiel je ein Fanzine, also ein Heftchen mit Themen, die sie bewegen.

Auch darüber erfährt Curi, was die Szene umtreibt. Sie beobachten andere Vereine oder äußern sich über den "weiß-grünen Hilfefonds" politisch, wenn es um Polizeigewalt rund ums Stadion geht. Zu den Heimspielen öffnen Curi und seine Kollegen einen Container hinter der Nordtribüne. Mit dessen ehemaliger Verwendung fremdelt er noch etwas: Es waren Zellen der Polizei.

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