Von Berlin nach Fürth: Burcherts beschwerlicher Flug

27.7.2016, 09:13 Uhr
Flugshow: Beim Kleeblatt möchte Sascha Burchert nicht als Nummer zwei in der Luft sein.

© Sportfoto Zink / WoZi Flugshow: Beim Kleeblatt möchte Sascha Burchert nicht als Nummer zwei in der Luft sein.

Das Hotel Seehof in Kössen hat schon einige deutsche Fußballmannschaften beherbergt. Neben der Spielvereinigung, die zum wiederholten Male hier am Tiroler Walchsee wohnt, hängen Erinnerungsfotos vom VfL Wolfsburg, VfL Bochum und Werder Bremen an der Wand im Keller. Der Ex-Bremer Kult-Torwart Tim Wiese ist dem Hotelchef ein Freund geworden, am Sonntag ist er mit seiner Frau angereist.

"Boah, ist das 'ne Kante, ey!", entfährt es Sascha Burchert, als Wiese auf dem Mountainbike vorbeifährt. Seit dem Ende von Wieses Torwartlaufbahn in Hoffenheim hievte der ohnehin nie zierliche Koloss im Kraftraum seinen Brustumfang auf Litfasssäulen-Niveau. Bald wird er als Catcher in den Ring steigen.

Perfekter Start

Das Karriereende ist für den 26-jährigen Burchert noch meilenweit entfernt. Eigentlich soll es für ihn bei der Spielvereinigung erst richtig losgehen, nachdem er nach 14 Jahren bei Hertha BSC Berlin gemerkt hat, dass er zu Höherem berufen ist als auf der Bank zu sitzen. Burcherts Weg begann zunächst mit optimalen Voraussetzungen: Der Vater war Handball-Torwart, der zwei Jahre ältere Bruder Nico entschied sich, in der Sportart Fußball Keeper zu werden. "Also wollte ich das mit sieben Jahren auch", erinnert er sich.

Und beide machten viel aus ihrem Talent: Herthas damaliger Jugendkoordinator Falko Götz holte die beiden Ost-Berliner ins Nachwuchsleistungszentrum des Westberliner Klubs. Von dort wechselte Nico Burchert zum SC Paderborn, wo er nach Verletzungen mit 28 Jahren die Torhüter trainiert. Sascha durchlief von der U16 bis zur U20 alle Juniorennationalmannschaften, wo er einen gewissen Sebastian Mielitz kennenlernte, und debütierte 2009 in einem Europa-League-Spiel bei Herthas Profis.

Kleinere Fehler leichter abhaken

An Stammkeeper Jaroslav Drobny und später Thomas Kraft kam er nicht vorbei, zumal er in seinen wenigen Einsätzen nicht immer gut aussah. In einer Partie gegen den Hamburger SV klärte er zweimal innerhalb von eineinhalb Minuten den Ball außerhalb des Strafraums, zweimal bugsierte ihn ein Hamburger in hohem Bogen über ihn ins Tor. Sein damaliger und heutiger Torwarttrainer Christian Fiedler verwahrte sich gegen das Urteil der Bild-Zeitung, Burchert sei ein "Torwart-Trottel".

Dass er sieben Jahre später im Fürther Trainingslager von der kleinen Journalistenrunde darauf angesprochen wird, passt ihm zwar nicht, doch er geht cool damit um. "Ich hatte ja nichts falsch gemacht, aber im Nachhinein waren die Reaktionen darauf sogar eine super Erfahrung." Er könne heute kleinere Fehler leichter abhaken.

Obwohl der Hauptstadtverein seinen Vertrag 2012 bis 2016 verlängert hatte, entdeckte er erst nach einer Ausleihe nach Oslo, wo er sofort zwischen den Pfosten stand, dass er mehr wolle als weiterhin die Nummer zwei der Hertha zu sein. Als die Tinte unter dem Zweijahresvertrag mit der Spielvereinigung trocken war, machte sich bei ihm Erleichterung breit: "Am Ende war ich froh, dass es in Berlin jetzt vorbei ist." Dort steckte er in einer Schublade fest, nach dem Motto: "Du kannst einen Kopfstand machen und spielst nicht."

"Bassd scho"

So ganz ohne Berliner Luft geht es aber auch am Ronhof nicht. Denn hier trainiert er mit Christian Fiedler sogar unter dem Mann, von dem er als zwölfjähriger Knirps einst die Handschuhe wollte. Fiedler und Gabor Kiraly waren damals die Torhüter der Hertha. In den Tagen am Walchsee haben ihm die mitgereisten Fans schon einmal einen Vorgeschmack auf die fränkische Kritikkultur gegeben. "Ich habe erfahren, dass 'bassd scho' das höchste Lob ist", das man nach einem Spiel ohne Gegentor und einem gehaltenen Elfmeter bekommen könne.

Damit könne er sich grundsätzlich anfreunden, denn er vergleicht: "In Berlin hast du zwar mehr Schulterklopfer, aber auch mehr, die dir ein Messer in den Rücken rammen." Am Mittwochabend gibt es für die Keeper eine weitere Gelegenheit, die Zahl der Schulterklopfer in Fürth zu erhöhen: Das Kleeblatt testet um 18.15 Uhr im Stadion von Austria Salzburg gegen Akhisar Belediyespor, zuletzt Tabellen-Dreizehnter der türkischen Süper Lig.
 

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