Weiler-Entlassung in Belgien: Machtspielchen und die Medien

24.10.2017, 05:57 Uhr
In der vergangenen Saison stand René Weiler (re.) noch im Viertelfinale der Europa League gegen das von Jose Mourinho trainierte Manchester United - vor wenigen Wochen ist der 44-Jährige in Belgien beurlaubt worden.

© Virginie Lefour/dpa In der vergangenen Saison stand René Weiler (re.) noch im Viertelfinale der Europa League gegen das von Jose Mourinho trainierte Manchester United - vor wenigen Wochen ist der 44-Jährige in Belgien beurlaubt worden.

Die Performance des RSC Anderlecht in der Champions League hatte mit dem 0:4 gegen Paris Saint-Germain in der vergangenen Woche gerade einen nächsten Tiefpunkt erlebt, als wieder Fragen nach dem Trainer auftauchten – dem, der das nicht mehr ist, nicht mehr Trainer beim Royal Sporting Club in Brüssel. René Weiler musste wenige Tage nach dem 0:3 beim FC Bayern München gehen – warum, das fragen sich Beobachter immer noch.

Es bleibt eine verworrene Geschichte voller Merkwürdigkeiten, die schon damit beginnt, dass RSC-Manager Herman Van Holsbeek nach Weilers Beurlaubung am 18. September verlautbarte, Weiler selbst habe nicht mehr weitermachen wollen – eine Darstellung, die von Teilen der internationalen Medien übernommen wurde, obwohl sie ganz offensichtlich nicht stimmt. "Warum zurücktreten?", fragte Weilers Assistenztrainer David Sesa im Gespräch mit dem in der Schweiz erscheinenden Blick: "Er war ja erfolgreich und die Mannschaft stand hinter ihm." Sesa berichtet auch von "üblen Geschichten, welche null Komma null den Wahrheiten entsprachen" - lancierte Geschichten über angeblich unzufriedene Spieler oder über einen angeblichen tätlichen Übergriff gegen Weiler und seine Frau. René Weiler, entnervt und überfordert: Dieses Bild sollte offenbar gezeichnet werden, nur hatten Weiler nahestehende Personen einen ganz anderen Eindruck. Der 44 Jahre alte Schweizer wollte arbeiten.

Ein "Kaiser" als Spielerberater

Ein paar weitere, damit zusammenhängende Fragen wirft nun eine Veröffentlichung der seriösen belgischen Fachzeitschrift Sport auf – in der es heißt, René Weiler könnte auch Opfer von Geschäftsbeziehungen geworden sein, denen er im Wege stand. Es geht um Mogi Bayat, einen in Belgien einflussreichen Spielerberater, den die Zeitung De Tijd einmal "den Kaiser des belgischen Fußballmarktes" nannte und der zu RSC-Manager Van Holsbeek eine enge, langjährige Verbundenheit pflegt. "Im Leben muss man wissen, wer die Macht hat", zitierte das Sport/Voetbal Magazine schon vor drei Jahren Van Holsbeek – gefragt nach Mogi Bayat.

Zu den Klienten Bayats gehört Sven Kums, ein belgischer Profi, den der RSC Anderlecht im Sommer gegen den Willen des Trainers Weiler für viel Geld (rund fünf Millionen Euro) von der Ersatzbank von Udinese Calcio verpflichtete – obwohl der von Weiler initiierte Umbau des Teams den RSC zum ersehnten ersten Meistertitel seit 2014 geführt hatte (und zum Gewinn des Supercups). In der Europa League stand Anderlecht im Viertelfinale und scheiterte erst am späteren Sieger Manchester United.

Ähnlich wie in Nürnberg, wo Weiler aus einem schlingernden, in seine Einzelteile zerfallenen Club einen 2016 nah ans Tor zur Bundesliga gestürmten Zweitliga-Spitzenverein geformt hatte, versuchte er auch in Brüssel, einen Erneuerungsprozess voranzutreiben, ohne Rücksicht auf bestehende Verflechtungen und Partikularinteressen. Weil er aber die Zusammenarbeit mit Mogi Bayat verweigerte, schreibt Sport, sei hinter den Kulissen seine Ablösung betrieben worden – möglicherweise mit medialer Hilfe, es könnte ein Lehrstück über die mit dem Markt weiter wachsende Macht der Spielerberater sein. Und über die Macht des Geldes. 

Wie tief einzelne Verflechtungen wurzeln, wäre Spekulation. Den Eindruck einer "ziemlich persönlichen Kampagne" gegen den Trainer Weiler hatte aber nicht nur die Neue Zürcher Zeitung, Insider berichten auch von, in einzelnen Fällen, Nähe und sogar Abhängigkeiten zwischen dem Klub, seinen Geschäftspartnern und medialen Beobachtern. Auch die Redaktion dieses Verlagshauses erreichten merkwürdige Anrufe aus Brüssel – verbunden offenkundig mit dem Wunsch, Weiler im Rückblick auf sein Wirken in Nürnberg zu diskreditieren.

"Wenn du nichts gibst, wirst du fertiggemacht"

Zuletzt, vor einem Jahr, hatte der lange Zeit sehr erfolgreiche Nationaltrainer Marc Wilmots diese – wie er sagte – speziellen Verhältnisse in Belgien öffentlich kritisiert. Wilmots sprach nach seiner Beurlaubung von einem "Spiel der Medien". "Wenn du nichts gibst, wirst du fertiggemacht", sagte er: "Das sind die Regeln. Ich habe auf die Fresse bekommen, und das war nicht objektiv." René Weiler ging es jetzt ähnlich. Obwohl gerade erst zum "Trainer des Jahres" gekürt, sah er sich heftigem Gegenwind ausgesetzt, der mittelmäßige Saisonstart wurde allein dem Trainer angekreidet – obwohl Spieler wie Youri Tielemans, der für 25 Millionen Euro zur AS Monaco wechselte, nicht adäquat ersetzt wurden. Weilers Vorstellungen vom weiteren Umbau der Mannschaft liefen ins Leere.

In München, zu seiner Champions League-Premiere, setzte Weiler dann den Bayat-Klienten Sven Kums ein. Der handelte sich nach wenigen Minuten eine höchst merkwürdige Rote Karte ein. Teil des Spiels? Selbst diese absurd erscheinenden Vermutungen werden unter der Hand geäußert. So oder so, schreibt Sport, sei es ein weiteres willkommenes Argument gegen Weiler gewesen. Dem 0:3 in München folgten, jeweils zu Hause, ein 0:3 gegen Celtic und das 0:4 gegen Paris. Jeweils zu elft. Und ohne René Weiler. Der will sich auf Anfrage auch weiterhin nicht zu der Affäre äußern. Aus Anstand.

Verwandte Themen


11 Kommentare