Weltstar Stanley Matthews prägte Stoke City

22.5.2016, 11:00 Uhr
Weltstar Stanley Matthews prägte Stoke City

© AFP

Es gibt wohl kaum einen Fußballclub, der derart mit einer einzigen fußballerischen Berühmtheit verknüpft ist wie Stoke City. Dort hat Sir Stanley Matthews gespielt, 17-jährig als damals jüngster Profi Englands, und bis zum – in Fußballerkreisen – „biblischen“ Alter von 50 Jahren. Er wurde 1956 erster „Europas Fußballer des Jahres“ und 1965 von Queen Elisabeth zum Ritter geschlagen. 1992 erhielt der weltweit wohl beste Fußballspieler seiner Generation den Gold-Orden der FIFA.

Matthews Trick, den Gegner mit extremer Geschwindigkeit auf einer Seite anzutäuschen und auf der anderen Seite vorbeizugehen, erlangte Berühmtheit – und erinnert an den deutschen Nationalspieler Reinhard Libuda, der ob seiner ähnlichen Spielweise den Spitznamen „Stan“ erhielt. Als Matthews 1938 – er hatte damals vier Jahre für Stoke City gespielt – den Verein verlassen wollte, war seine Popularität so gewachsen, dass 4000 Fans in öffentlichen Protestveranstaltungen ihren Star umzustimmen versuchten. Und es gelang: „The Magician“ standen ob der überwältigenden Sympathien die Tränen in den Augen, er verlängerte seinen Vertrag und blieb weitere neun Jahre. Es folgte der Zweite Weltkrieg und Matthews spielte von 1947 bis 1961 beim FC Blackpool, kehrte dann aber als 46-Jähriger nach Stoke-on-Trent zurück. Die Folge: Der Zuschauerschnitt stieg von 8000 auf 20 000 und um den Andrang zu bewältigen, mussten zwei stillgelegte Eisenbahnlinien wieder in Betrieb genommen werden. In nur zwei Jahren führte der ewig junge Matthews seine Mannschaft vom Tabellenende der zweiten Division in die Premier League zurück. Zwei Jahre später ein erneuter Triumph: Matthews wurde zum zweiten Mal Englands „Fußballer des Jahres“. Im April 1965 bestritt Matthews, der während seiner gesamten Karriere nie verwarnt oder gar vom Platz gestellt worden war, vor 35 000 Zuschauern sein Abschiedsspiel gegen eine FIFA-Auswahl mit internationalen Fußballgrößen wie Lew Jaschin, Ferenc Puskas und Alfredo Di Stefano. Am Tag der Beerdigung des 54-fachen Nationalspielers im Februar 2000 säumten 100 000 Menschen die Straßen in der Erlanger Partnerstadt, seine Asche ruht unter dem Spielfeld des 1997 neu erbauten Britannia Stadiums mit rund 28000 Plätzen. Als weitere Prominente können noch Gordon Banks (1967 bis 1972), Torhüter der englischen WM-Elf von 1966, der später ebenfalls geadelte 66er Weltmeister Geoff Hurst (1972 bis 1975) und der englische Rekordnationalspieler Peter Shilton (1974 bis 1977) genannt werden.

Stoke City ist zwar der zweitälteste noch existierende Profifußballclub der Welt und war 1888 auch maßgebliches Gründungsmitglied der englischen Football League, doch die Erfolge halten sich sehr im Rahmen. Es ging in der Vereinshistorie stets rauf und runter – ohne Meisterlorbeer. Einmal war man ganz nah dran: Ein Sieg hätte am letzten Spieltag der Saison 1946/47 zur englischen Meisterschaft gereicht, doch durch eine 1:2-Niederlage gegen Sheffield United wurde der FC Liverpool der erste Nachkriegs-Titelträger. So bleibt der Sieg im Ligapokal 1972, ein 2:1 im Finale gegen den FC Chelsea, vor 98 000 Zuschauern im Wembley-Stadion der größte Erfolg.

33 Tote, Hunderte Verletzte

Auf der anderen Seite hat sich eine Katastrophe in die Vereinsgeschichte eingebrannt. So fanden am 9. März 1946 beim Rückspiel des FA-Cups zwischen Bolton Wanderers und Stoke City 33 Menschen den Tod, 500 wurden zum Teil schwer verletzt. Das Spiel war mit 65 000 Besuchern restlos ausverkauft gewesen, weitere 20 000 versuchten, noch in das Stadion zu drängen. Die Einlasssperrren gaben nach, die Spielfeldabsperrungen zerbrachen, die vorderste Reihe wurde zu Boden gedrückt. Unvorstellbar: Der Polizeichef von Bolton ordnete nach 26 Minuten den Wiederanpfiff an, während die Leichen bedeckt am Spielfeldrand lagen.

Auch in der aktuellen Saison ist Stoke City (aktueller Marktwert aller Spieler: 136 Millionen Euro) über einen Mittelfeldplatz nicht hinausgekommen. Der Endstand: 9. Rang – allerdings einen Zähler vor dem europäischen Spitzenclub Chelsea.

Im Kader steht ein Ex-Cluberer: der einmalige deutsche Nationalspieler Philipp Wollscheid, den der kicker gerüchteweise mit Borussia Mönchengladbach in Verbindung gebracht hat. Mit ihm spielen noch weitere ehemalige Bundesliga-Stars im Team: Xherdan Shaqiri (Bayern München), Mame Diouf (Hannover 96), Joselu (TSG Hoffenheim) und Marko Arnautovic (Werder Bremen).

Letzterer, früher für seine Eskapaden auf und abseits des Platzes bekannt, hat sich in England zum Musterprofi entwickelt. Für ihn ist der Verein zur Familie geworden: „Stoke hat mich aus einer Situation herausgeholt, in der ich nicht glücklich war, und hat mich wieder zum Leben erweckt.“ Insider sehen den Grund vor allem in seiner Funktion als zweifacher Familienvater („Man bekommt eine andere Sicht auf das Leben, wenn man Kinder hat“).

Der zweite Star bei den „Potters“ (deutsch: die „Töpfer“ nach dem vorherrschenden Industriezweig in der Stadt) ist am 26. März 2016 beim Länderspiel gegen Deutschland verletzt ausgeschieden und fällt auch für die EM aus: Torhüter Jack Butland, mit 23 Jahren jüngster Schlussmann der aktuellen Premier League und ernsthafter Herausforderer von Joe Hart als Nummer 1 im Tor der Nationalelf. Dass er im März 2016 seinen Vertrag bis Sommer 2021 verlängert hat, ist wohl vor allem Trainer Mark Hughes zuzuschreiben, der einst als Leihspieler 1987/88 sechs Tore für den FC Bayern München geschossen hat. Aber auch der Vereinsbesitzer steht hinter Butland und Arnautovic: das Glückspielunternehmen Bet365 des Geschäftsmanns Peter Coates.

 

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