Wer pfeift heute? Eine Familie voller Schiedsrichter

22.9.2018, 16:00 Uhr
Wer pfeift heute? Eine Familie voller Schiedsrichter

© Foto: Eigler

Es ist zweifellos eine ungewöhnliche Konstellation, die beide Familien eint: Ein ehrenwerter, aber doch oft undankbarer Job, den die ganze Sippe teilt. Fragt man Jürgen Jürschik (51) nach dem Reiz, kriegt man eine klare Antwort. "Ich habe viele Spiele gesehen, wo entweder die Regelauslegung sehr einseitig erfolgt ist oder Regelwidrigkeiten überhaupt nicht geahndet wurden." Das muss besser gehen, habe er sich gedacht.

Verantwortung macht Spaß

Auch die beiden Söhne Fabian (20) und Jan (17) stehen mittlerweile mit der Pfeife auf dem Fußballplatz. Fabian leitete zunächst die Spiele seines jüngeren Bruders Jan bis zur C-Jugend. Erst ab dort gibt es fest eingeteilte Schiedsrichter. Vorher stellt in der Regel das Heimteam den Unparteiischen. Auch als Jan älter wurde und dann selber zur Pfeife griff, blieb Fabian dabei. Und dieser Weg hat den Studenten mittlerweile bis in die Bezirksliga geführt, während Jan bis zur Kreisliga pfeift.

Unglaublich viel Spaß mache es, Spiele zu leiten und Verantwortung für deren regelkonformen Ablauf zu übernehmen, darin sind sich die drei einig. Jan Jürschik beschreibt das Pfeifen auch deshalb als so aufregend, "weil es abwechslungsreich ist". So lerne man ständig neue Facetten eines Sports kennen, den man auswendig zu kennen glaube.

In die gleiche Kerbe schlägt Reiner Gärber (51), der Obmann der Fürther Schiedsrichtergruppe. Dessen Sohn Moritz (21) und Tochter Valentina (15) sind ebenfalls aktiv. "Man muss schnelle Entscheidungen treffen, ist immer Einzelkämpfer. Man muss wissen, welche Rolle man innehat, denn recht kann man es als Schiri meistens niemandem machen, weder Spielern und Vereinen, noch den Zuschauern."

Junior Moritz, der in der Kreisliga pfeift, ergänzt: "Die Leidenschaft ist deshalb sehr groß, weil man Spiel für Spiel aufs Neue nicht nur körperlich, sondern auch geistig gefordert wird und mit verschiedensten Menschen in Kontakt kommt." Auch für die persönliche Entwicklung helfe der Umgang mit unterschiedlichen Charakteren.

Die Tipps sind Fluch und Segen zugleich

Die Tipps des eigenen Vaters können Fluch und Segen zugleich sein. "Grundsätzlich ist es immer gut, wenn man mit jemandem vom Fach über Entscheidungen diskutieren kann. Ob Entscheidungen richtig oder falsch sind, ist oft Ansichtssache — sehr wichtig ist aber auch eine Rückmeldung über Auftreten und Außenwirkung von getroffenen Entscheidungen, die letztlich darüber entscheiden, ob man von den Beteiligten akzeptiert wird oder nicht. Je besser man sich gegenseitig kennt, umso bessere Tipps kann man geben — auch, weil man geradeheraus sagen kann, was man denkt", meint Fabian Jürschik.

Wenn es sein muss, können die drei aber auch kontrovers über eine Entscheidung diskutieren. Jan gibt einen konkreten Einblick: "Wir helfen uns gegenseitig sehr viel. Etwa, wenn wir beim Anderen als Assistenten dabei sind, tauschen wir nach dem Spiel und auch schon während der Halbzeitpause Verbesserungsvorschläge aus." Doch auf die Dosis kommt es an, ist sich Rainer Gärber sicher: "Alle jungen Schiedsrichter müssen ihren eigenen Weg gehen. Das gilt auch für die eigenen Kinder. Zu viel Reinreden ist nicht immer hilfreich."

Auch nach Abpfiff geht die Analyse weiter, wie Jürgen Jürschik verrät. "Nach dem Spiel hat man dann mehr Zeit auf der gemeinsamen Heimfahrt. Da kann man das ganze Spiel nochmal gut Revue passieren lassen, wenn die Anspannung von einem abgefallen ist." Sechs Augen sehen eben mehr als zwei.

Schwierige Wochenend-Planung

Dass alle drei gemeinsam im Einsatz sind, ist eher die Ausnahme. Einfach zu organisieren ist das Wochenende einer Schiedsrichterfamilie jedenfalls nicht. Eine gute Koordination und terminliche Flexibilität sind nötig, da nicht immer alle zur gleichen Zeit verfügbar sind oder verschiedene Spielorte haben. Einteilungen in höhere Klassen haben da Vorrang. "Wenn es dann wichtige Spiele sind, werden schon auch mal Familienfeiern verlegt oder man kann nicht zu seinem Verein zum Heimspiel gehen. Da muss man Prioritäten setzen", sagt Jürgen Jürschik.

Eine bestimme "Pfeif-Philosophie" hat übrigens keiner der Schiris. Ob man in den 90 Minuten mehr laufen lässt oder früher eine Karte verteilt wird, hängt von Spiel zu Spiel ab. Wichtig ist es zu wissen, in welchem Tabellenumfeld beide Teams spielen und wie viel Brisanz eine Partie hat. "Man muss ein Spiel lesen können", sagt Jürgen Jürschik. Es gehe darum, den Charakter des Matches zu identifizieren. "Auch Körpersprache, Gestik und Mimik gehören zur Kommunikation", ergänzt Sohn Fabian. Grundsätzlich gilt: Je besser der Spielfluss, desto weniger Unterbrechung durch Pfiffe.

Das schönste Lob

Und was ist das schönste Lob für einen Schiedsrichter? Da hat Jürgen Jürschik eine klare Meinung. Auch wenn man ungeliebte Entscheidungen trifft, ist die Freude groß, nach den 90 Minuten zu hören: "Schiri, hast Recht gehabt".

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