WM-Kolumne: Regierungskrise? Audi? Fußball!

19.6.2018, 10:39 Uhr
Bei Frank Plasberg (rechts) ging es am Abend mal nicht um Politik. Es ging um: Fußball, natürlich.

© WDR/Dirk Borm Bei Frank Plasberg (rechts) ging es am Abend mal nicht um Politik. Es ging um: Fußball, natürlich.

Als der Montag schon zum Dienstag wurde, da waren all die vermeintlich kleinen Krisen vergessen. Ein Audi-Chef und Aufsichtsrat des FC Bayern muss vorübergehend in den Knast? Ach, gibt doch wichtigeres. Deutschland steckt in einer Regierungskrise, weil eine kleine, aber umso lautere Splitterpartei für den Wahlkampf die Stabilität eines Landes aufs Spiel setzt und der Kanzlerin in selbstherrlich bajuwarischer Art Ultimaten stellt? Ach, gibt doch wichtigeres - Deutschland hat schließlich ein Fußballspiel verloren. EIN FUßBALLSPIEL! 

WM-Kolumne: Regierungskrise? Audi? Fußball!

© Bronislav Hava

Das 0:1 gegen Mexiko wird seit Sonntagabend um kurz nach 18.45 Uhr zum nationalen Dilemma hochsterilisiert (Sorry Bruno, der musste sein), das nationale Projekt, die große Mission ist in Gefahr, ein Drama! Und das nur, weil jeder der 82 Millionen Bundestrainer vorgeführt bekam, dass auch andere Länder Fußballspielen können. Ja, Deutschland war schlecht, Deutschland könnte schon am Samstag gegen Schweden in der Vorrunde ausscheiden. In einem wird Deutschland aber auch 2018 Weltmeister werden: im Schwadronieren.

Das Schöne am Fußball ist ja eigentlich, dass man sich so trefflich darüber streiten kann, dass jeder eine Meinung hat (und haben darf) und auch zwei sich unbekannte Menschen aus Flensburg und Freilassing ein gemeinsames Gesprächsthema finden können. Fußball geht immer, vor allem, wenn in einem immer diffuser werdenden Land auch die letzte Konstante wegzubrechen scheint: Egal, was passiert - Deutschland gewinnt immer. So war das lange. Streit gibt es seit Sonntag aber nicht mehr, es gibt nur: leidvolles Jammern und Meckern, wie schlecht sie eigentlich alle sind, der Jogi, der Kroos und der Müller.

Und als alle dachten, dass am späten Montagabend, in der Nacht zum Dienstag, schon alles erzählt ist zu diesem einen Fußballspiel, da kommt Frank Plasberg mit einem komprimierten Stammtisch um die Ecke.  Nein, der Islam ist diesmal nicht Schuld an der nationalen Niederlage, es darf auch ausnahmsweise mal kein Alexander Gauland beinahe unwidersprochen seine kruden Ansichten verbreiten. Vorhang auf für: "Der Ball rollt, noch ist alles drin". Plattitüde eins und zwei.

Frank Plasberg hätte bei "Hart, aber fair" über Rupert Stadler und die deutsche Automobil-Industrie nachdenken (lassen) können, er hätte auch mal wieder Markus Söder einladen und über die erodierende Union reden können - die Verantwortlichen der vermeintlich politischen Sendung entschieden sich aber dazu, dass doch noch nicht alles erzählt ist über dieses unheilvolle 0:1. Ursprünglich sollte es auch um Putin (Ist er nun böse oder nicht?) gehen, aber soweit kam es nicht. Sie wissen ja, diese Niederlage. Also durfte Mario Basler munter das Phrasenschwein füttern, sein Doppelpass-Kollege Marcel Reif war auch dabei und Christoph Daum durfte zwischen vielen Ähhs und Ähms auch noch ein bisschen was beitragen.

  • Mesut Özil? Hat die "Körpersprache eines toten Frosches".
  • Sami Khedira? "Dem kann man beim Laufen die Schuhe besohlen."
  • Die Spieler allgemein? "Die sind weichgespült. Wenn die eine Versicherung abschließen müssen, wissen die gar nicht mehr, wie das geht."

Mario Basler lief schon nach kurzer Zeit zur Höchstform auf, Applaus an den Stammtischen wie im Fernsehstudio war ihm mit solchen, auch beleidigenden Aussagen natürlich gewiss. Eine ernsthafte Analyse war nach solch lustigen (?) Thesen natürlich kaum mehr möglich, Marcel Reif probierte sich trotzdem eloquent daran und warf Mats Hummels mit seiner öffentlichen Kritk an Mannschaft und implizit auch Joachim Löw einen Tabubruch vor. Und Christoph Daum? Der beklagte ein imaginäres "Don't touch"-Schild, mit dem die deutschen Spieler herumliefen. Memmen, früher, ja, da haben wir noch hart gespielt. Und überhaupt, früher. Und ach. Hachja.


Liebesgrüße aus Nürnberg - der WM-Podcast


Ironischerweise wurde es dann genau, als man noch Schlimmeres befürchten musste, doch noch einigermaßen gut. "Das kannst du nicht einfach per Dekret ausblenden, wie das Oliver Bierhoff gemacht hat", sagt Christoph Daum über: das Foto von Özil und Gündogan mit Erdogan. Und über die merkwürdige Öffentlichkeitsarbeit des DFB. Es wäre schön, wenn eine kluge Aussage wie diese im Kopf geblieben wäre. Am Ende sind es aber doch zwei Dinge: Mario Basler hat früher selbst seine Sporttasche gepackt. Aha. Und er hat sie sogar selbst in den Bus gestellt. Mensch, was waren das noch für Zeiten.

Widerspruch kommt von einer, von der man lange nur dachte, sie wäre lediglich eine Statistin in dieser Männerrunde. Celia Sasic, ehemalige deutsche Nationalspielerin mit kamerunischen und französischen Wurzeln, eine kluge Frau, die auch eine Konfrontation nicht scheut. "Bei Real Madrid müssen sie ihre Wäsche nicht selber waschen, aber sie haben trotzdem die Champions League gewonnen." Danke.

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