Tabak für Ägypten

12.8.2010, 10:00 Uhr
Tabak für Ägypten

© Roland Fengler

Lange hatte die Familie gut gelebt mit der großen Pflanze mit den rosa Blüten. „Seit vier Generationen, vielleicht schon länger, haben wir Tabak angebaut“, sagt Landwirt Gerhard Pfann aus dem Fürther Vorort Steinach. Doch nach der Abkoppelung vom Fördertropf der Europäischen Union schien die Branche in den letzten Zügen zu liegen: Mit dem Wegfall der Brüsseler Subventionen deutete sich ein einschneidender Strukturwandel an.

Den Exitus vor Augen, gaben Pfann und die anderen Tabakpflanzer aus dem Knoblauchsland bei der Fürther Kirchweih im Jahr 2007 eine spektakuläre Abschiedsvorstellung: Mit ihrem letzten gemeinsamen Auftritt beim Erntedank-Festzug verkündeten sie das Ende einer fast 400-jährigen Anbautradition.

Anbaufläche halbiert

Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen. Pfann hat seine Anbaufläche auf rund vier Hektar halbiert und setzt nun auf die Tabaksorte Virgin, die per Heißluft getrocknet wird. Er hat einen neuen Abnehmer gefunden, der ihm einen höheren Preis zahlt und den Ausfall der EU-Beihilfe verschmerzen lässt. Außerdem will sich die Familie an einem städtischen Biogas-Projekt beteiligen.

Burley, die zweite in Franken heimische Tabaksorte, hat dagegen keine Zukunft mehr. Sie steht auf der Verbotsliste der EU, die es nicht mehr hinnehmen will, dass Zigarettenmischungen mit Burley aromatisiert werden. „Kein Tabakkonzern kauft deshalb in Zukunft auch nur ein Kilo dieser Sorte“, erklärt Georg Heinl von der Erzeugergemeinschaft Bayern-Tabak. Aus diesem Grund stehen im Knoblauchsland, wo die Pflanzer fast ausschließlich den Burley favorisiert hatten, die zur Trocknung der Tabakblätter verwendeten Folienschuppen leer.

50 bis 60 Hektar der Burley-Plantagen sind im Zuge der Neuorientierung komplett aufgegeben worden. Anders sieht es mit dem Virgin-Gewächs aus, das in Franken seine Anbaufläche von rund 350 Hektar halten konnte. Und das vor allem im Schwabacher Land, das von Roth bis nach Cadolzburg und Heilsbronn reicht.

Der zweite Bruch

Ein Zentrum des Tabakanbaus ist Kammerstein mit seinen Ortsteilen. Konrad Ammon aus Mildach ist gerade „beim zweiten Bruch“: Nach den Grumpen auf der untersten Blatt-Etage der Pflanze pflücken die Erntehelfer gegenwärtig das Sandblatt. Erst die Kälte, dann wochenlange Hitze, schließlich starke Niederschläge — die Sonderkultur hat die Kapriolen des Wetters erstaunlich gut vertragen, gibt sich der Pflanzer zufrieden.

Auch Ammon hat einen neuen Abnehmer für seinen Virgin-Tabak ausfindig gemacht. Der Landwirt rechnet vor, welchen Einschnitt der Subventionsabbau bedeutet: Zuletzt erlösten die Bauern am Markt für Qualitätsware etwa 1,60 Euro pro Kilo, dazu kamen rund zwei Euro EU-Beihilfe. Jetzt werden um die 3,80 Euro je Kilo der KlasseI bezahlt. „Der Preis ist zumindest kostendeckend“, sagt Ammon.

Dass sich fränkische Qualität auf dem Weltmarkt behaupten kann, bestätigt Geschäftsführer Heinl: „Wir haben eine Nische gefunden.“ Die Firma, die die fränkische Ernte der Sorte Virgin abkauft, reicht die Ware laut Heinl nach Kairo weiter. Von dort aus landet der Tabak aus Rohr oder Schattenhof in ägyptischen Wasserpfeifen.

Geeignet für orientalische Genussraucher

Geringer Nikotingehalt, ein ausgeprägtes, farbbeständiges Gelb: Drei Jahre lang sei getestet worden, ob sich Tabak aus Franken für orientalische Genussraucher eignet. „Wir hatten das große Glück, dass unser Tabak die geforderten Eigenschaften hat und die Anforderungen des Abnehmers erfüllt“, sagt Heinl. Deshalb blickt der Sprecher von Bayern-Tabak optimistisch in die Zukunft: „Wir bauen weiter an, allerdings nicht mehr auf den großen Flächen früherer Jahre.“

Das arbeitsintensive Gewächs, das heute noch bis zu 750 Arbeitsstunden pro Hektar und Saison benötigt, wird weiter ein Bestandteil der Kulturlandschaft sein — aber nicht für Heinrich Volkert aus Kammerstein. Bis zu 25 Hektar hat er in guten Zeiten bewirtschaftet. Nun hat der frühere Vorsitzende von Bayern-Tabak die Sonderkultur vollständig aufgegeben. Die Branche war ihm zu unsicher geworden. Während sein Sohn stattdessen eine Biogas-Anlage betreibt, verfolgt Volkert nur noch „mit Interesse, wie es den früheren Kollegen geht. Für mich ist das Kapitel abgeschlossen.“