Vom Bosporus in den Zenngrund

25.9.2014, 13:00 Uhr
Vom Bosporus in den Zenngrund

© Foto: Wraneschitz

Schweigger machte die deutschsprachige Welt mit einem Text bekannt, der den Muslimen als heiliges Buch ihrer Religion, den anderen als „Fabelwerk eines falschen Propheten“ galt. Der evangelische Theologe unterstrich in seinem Vorwort die ablehnende Haltung: Die Türken und ihre Religion seien nur Bestrafung beziehungsweise Prüfung für das Christentum. In der Zeit der Türkenkriege erklärte sich diese Einstellung mit der Angst vor der osmanischen Expansion („Die Türken vor Wien“).

Vom Bosporus in den Zenngrund

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Schweiggers Werk trägt den langen Titel und Untertitel: „Alcoranus Mahometicus, Das ist: Der Türken Alcoran/Religion und Aberglauben . . . Erstlich aus der Arabischen in die Italianische; Jetzt aber in die Teutsche Sprach gebracht“. Es erschien 1616 in Nürnberg. Die deutsche Erstveröffentlichung beruht vollständig auf der Übersetzung des Italieners Andrea Arribavene. Der hatte sich, anders als angegeben, nicht auf ein arabisches Original, sondern auf die vier Jahre vorher in Basel erschienene lateinische Koranausgabe von Theodor Bibliander gestützt.

Genaues Studium

Die Qualität von Schweiggers Übersetzung wird aus heutiger Sicht eher gering eingeschätzt. Allerdings belegt ein umfangreiches 18-seitiges Register, dass sich der Autor sehr genau mit dem Koran beschäftigt hat.

„Er sprach gerne von türkischen Sachen“, heißt es in einem Nachruf auf Pfarrer Schweigger. Und damit sind wohl nicht nur seine Kenntnisse des Koran gemeint, sondern mehr noch die Erfahrungen als Gesandtschaftsprediger am Hofe des Sultans in Konstantinopel. Detailreich und anschaulich schildert er seine Erlebnisse in seinem Buch „Ein newe Reyßbeschreibung aus Teutschland nach Konstantinopel und Jerusalem.“

Der Wiener Staatsarchivar und Historiker Rudolf Neck hat den 1964 herausgegebenen Nachdruck mit einem dicken Lob begründet: „Wenn man das Buch Schweiggers mit der bis 1608 (dem Jahr der Erstauflage in Nürnberg) erschienenen Reiseliteratur in deutscher Sprache über den Orient in Vergleich stellt, wird man es als eine Spitzenleistung bewerten und anerkennen müssen.“

Schon die Vorrede macht deutlich, dass Schweigger trotz vieler Vorbehalte als aufgeschlossener Beobachter unterwegs ist. Ausführlich preist er den Nutzen des Reisens, denn an „vielen Orten höret und sehet man viel, . . . Gut‘s und Bös’, Tugend und Laster mehr dann daheim; eine Weltschul“ sei das Reisen, worin jeder merke „wie er sich soll halten im Glück und Unglück“, dass er nicht verzagt, sondern „beherzt und freudig wird und lerne hindurch dringen“.

In der Hauptstadt des osmanischen Reiches sammelt Schweigger seine Eindrücke vom Leben am Hofe des Sultans ebenso wie von dem der Muslime jeglichen Standes. Zwar betont Schweigger durchaus die vermeintliche kulturelle Überlegenheit des Westens in vielen Bereichen, aber er nennt auch Vorbildhaftes der anderen Seite:

„Die Männer haben besondere Bäder und die Weiber auch besondere. Sie bedecken sich im Baden fein züchtig und ehrbarlich und nicht zu schimpflich wie die Teutschen, da es das Ansehen hat, als wollt einer die Scham mit Fleiß zeigen . . .“

Da Konstantinopel ein multikultureller Platz ist, gewinnt Schweigger auch Einblick in die Riten orientalischer Christen. Seine Beschreibung des armenischen Kultus wird bis heute in einschlägigen völkerkundlichen Werken gerne zitiert. Das Buch, das in einem dritten Teil des Autors Pilgerreise nach Jerusalem zum Inhalt hat, bezieht bis heute seinen Reiz aus der Detailtreue der Beobachtungen.

Auffallend ist der große zeitliche Abstand zwischen der Beendigung von Schweiggers Reise — er kehrte 1581 in die Heimat zurück — und dem Erscheinen seines Buchs. Hat er 27 Jahre daran geschrieben oder erst an seiner letzten Wirkungsstätte in Nürnberg einen risikobereiten Drucker gefunden? Wir wissen es nicht. Die Spur zur Entstehung des Werkes führt jedenfalls auch über Wilhermsdorf an der Zenn.

Vier Jahre verbrachte Schweigger in der Fremde. Dann führte ihn sein Weg über seelsorgerische Stationen in Nürtingen und Grötzingen, wo er 1585 Elisabeth Vischer heiratete, 1589 ins mittelfränkische Wilhermsdorf. Die Herrschaft übte dort Freiherr Heinrich Hermann von Burgmilchling aus, der für seine reformierte Patronatskirche einen Pfarrer suchte.

Bereits zwei Jahre nach Amtsantritt musste Schweigger am Grab des Freiherrn die Trauerrede halten und wiederum zwei Jahre danach dessen Ehefrau Dorothea, geborene von Thüngen, beisetzen. In der Wilhermsdorfer Pfarrkirche ist das adelige Paar in Lebensgröße auf einem in Marmor gehauenen Totengedenkstein zu bewundern.

Fundierte Bildung

Die Leichenpredigt für die verstorbene Freifrau wurde in Nürnberg gedruckt. Sie belegt die fundierte Bildung Schweiggers und seinen geschickten Umgang mit der Sprache.

Über Dorothea zu Burgmilchling erfahren wir, dass sie in 30 Ehejahren acht Kinder geboren hat, von denen sie nur drei überlebt haben. Offensichtlich war sie eine bescheidene Frau, sowohl was die Kleidung als auch Essen und Trinken anging. Gelobt wird ihre Barmherzigkeit kranken Menschen gegenüber.

So wie Pfarrer Salomon Schweigger die umfängliche Leichenpredigt in seinem Pfarrhaus in Wilhermsdorf verfasst hat, so mag er dort auch an seinem Reisebuch gearbeitet haben, die Eindrücke noch relativ frisch vor Augen. Um die Drucklegung konnte er sich dann erst in Nürnberg kümmern, wohin er 1606, nach 17 Wilhermsdorfer Dienstjahren, als Prediger an die Frauenkirche gewechselt war.

Den Grund für diesen Schritt von der Zenn an die Pegnitz bildete wohl ein Zerwürfnis zwischen dem Pfarrer und dem Patronatsherrn, Heinrich Herrmann dem Jüngeren. In Nürnberg kam der entschiedene Lutheraner offensichtlich besser an. Die Chronik vermeldet großen Zulauf bei seinen Predigten und erwähnt seine „vielen Gastungen“. Auch hinsichtlich seiner Trinkgewohnheiten erfahren wir Genaueres: „trank gar kein Bier, sondern täglich während der Mahlzeit 1 Maaß Wein“.

Salomon Schweigger starb am 21. Juni 1622, 71 Jahre alt. Er wurde auf dem Rochusfriedhof beigesetzt. Seiner Grabinschrift ist zu entnehmen, dass er Frau und Kinder hinterließ. „Mit der Leiche gingen 222 Weibs- und 330 Mannspersonen, darunter der ganze Rath und 23 Priester“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht.

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