Von Himmel und Hölle

31.1.2016, 18:59 Uhr
Von Himmel und Hölle

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Fast hätte man meinen können, man hätte sich ins Festkonzert zum 70. Jubiläum verirrt. Aber das folgt ja erst im März. Intendant Lucius Hemmer nutzte die Gelegenheit und stellte zu Beginn den Komponisten Richard Dünser vor. Der stammt aus Vorarlberg, lebt in Wien und hat sich neben seinem eigenen Schaffen mit einer ganzen Reihe von Orchestrierungen einen Namen gemacht.

Seine „Wunderhorn“-Ouvertüre, ein Auftragswerk der Symphoniker, nahm die weiteren Programmpunkte raffiniert vorweg: Ein bisschen Anklang an Mahlers „Wunderhorn“Lieder und eine Reminszenz an die Mörike-Vertonung des früh verstorbenen Hellmuth Coerper im irisierend-flirrenden Liegeton-Akkordnebel. Ein Trommelwirbel zum Auftakt, im Mittelteil eine marschartige Sequenz und ein passender Morendo-Schluss. Das hatte qualitatives Format, ohne das Rad neu erfinden zu wollen.

Mittelhochdeutsches Liebeslied

Fränkische Bezüge setzte Dünser auch mit seinen „Süsskind“-Szenen: Die erinnern an den jüdischen Minnesänger Süßkind von Trimberg, der u. a. am Hof des Würzburger Bischofs wirkte. In die Mainfranken-Metropole führt auch das nächste Auswärtsgastspiel des Orchesters. Trimberg liegt übrigens westlich von Bad Kissingen. Der eilig aus Berlin eingeflogene Roman Trekel setzte sich geschmackvoll für die mittelhochdeutsche Preziose „irs mannes kron“ ein. Ein Frauenlob, das Dünser rezitativhaft und mit schwelgerischer Emphase als Eloge für die eigene Gattin ausdeutete.

Eine Liebestat erwies er auch dem Lied „Die traurige Krönung“ des Pfitzner-Schülers Hellmuth Coerper (1892–1915). Der hinterließ nur Fragmente einer Orchestrierung der Mörike-Schauergeschichte über einen machtbesessenen Kindsmörder. Richard Dünser instrumentierte die theatralische Ballade sehr subtil für die Möglichkeiten eines großes Orchesters. Und mit Roman Trekel hatte man einen idealen Wortkünstler gefunden, der genau zwischen deklamatorischer Dramatik und leiser Zurückhaltung zu pendeln weiß.

Seine ganze vokale Kompetenz und geballte Erfahrung konnte der Berliner Sänger aber in Mahlers „Wunderhorn“Liedern ausspielen: Die grausame Doppelbödigkeit im kriegerischen „Revelge“, die elegisch-verzweifelte Totenklage im „Tamboursg’sell“, die bissige Ironie in der „Fischpredigt des Antonius“ und die lyrische Empfindsamkeit im zugegebenen Liebesgesang „Wo die schönen Trompeten blasen“.

Danach wagten die in allen Stimmgruppen hervoragend disponierten Symphoniker unter Alexander Shelley einen Blick ins Paradies: Franz Schubert erreicht in seiner Großen C-Dur-Sinfonie einerseits Mozartsche Tiefgründigkeit, die als lichtdurchflutete Leichtigkeit erscheint, wie er andererseits mit kleinsten Motivpartikeln so ausführlich spielt als wollte er die US-amerikanische minimal music 150 Jahre vorweg nehmen.

Klug von Shelley disponierte Tempi ließen ein organisches Strömen und Fließen, ein Wogen und Gleiten entstehen, dass die „himmlischen Längen“ als solche gar nicht zu spüren waren. Riesiger Beifall war die logische Folge und der Blumenstrauß flog dieses Mal in den Rang.

 

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