„Wir wollen gewappnet sein“

8.5.2015, 16:00 Uhr
„Wir wollen gewappnet sein“

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Im Fürther Landkreis gibt es wohl kaum eine Kommune, die nach außen friedfertiger wirkt, als das beschauliche Roßtal, in dem Gemeinsinn groß geschrieben ist. Jetzt wollen Sie „bunt werden“. Hat Roßtal das etwa nötig?

Goroll: Aktuell sicher nicht, wir haben hier keine Demos wie in Dresden oder Nürnberg. Das Aktionsbündnis ist reine Prävention, Gott sei Dank. Trotzdem: Wer die Augen verschließt, riskiert, sie zu spät wieder zu öffnen. Wir wollen gewappnet sein.

 

An welche Eventualitäten denken Sie denn?

Goroll: Dass Rechtsradikale eine Mahnwache anmelden, hat Pfarrer Jörn Künne angemerkt, könnte uns genauso passieren wie jedem anderen Ort. Die Cadolzburg, in der einst die Hitlerjugend indoktriniert wurde, ist nicht weit. Bei Bedarf wollen wir vernetzt sein – vor Ort und mit anderen Bündnissen –, um reagieren zu können. Das ist eine von zwei Zielrichtungen.

Und die Zweite?

Goroll: Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, was an Gemeinschaft da ist und dass wir diese Gemeinschaft erhalten wollen. Und dafür, dass es uns gut geht und dass das keine Selbstverständlichkeit ist.

 

Die Anti-Islam-Bewegung Pegida hat etliche Orte auch in der Region bunt werden lassen, nun ist sie abgeflaut, warum werden Sie jetzt aktiv?

Goroll: Den Anstoß gab ein Besuch bei der Asylgruppe St. Rochus in Zirndorf. Beim Martinimarkt 2014 hatten wir um Spenden gebeten. Als wir die 245 Euro im Februar übergeben haben, hat uns das Engagement und die Begeisterung, mit der die Ehrenamtlichen die Asylbewerber begleiten, sehr beeindruckt. Wir wollten mehr über die Flüchtlingsströme erfahren, sie werden nicht abebben. Doch hätten wir als SPD einen Referenten eingeladen, wäre nur der SPD-nahe Kreis gekommen. Aber wir wollten weitere Bevölkerungskreise erreichen. Uns war klar, das kann nur funktionieren, wenn wir eine möglichst breite gesellschaftliche Basis finden. So haben wir Parteien, Vereine und Institutionen angeschrieben.

 

Wie war die Resonanz?

Goroll: Es ist auf Anhieb geglückt, eigentlich alle mit ins Boot zu holen, seien es die im Marktrat vertretenen Parteien, der Bürgermeister, die Kirchen, die Awo oder der Bürgerverein im Markt. Alle wollen an einem Strang ziehen, um Flagge zu zeigen für Toleranz und Demokratie.

 

Was planen Sie konkret, Sie können die globale Flüchtlingsproblematik ja nicht im kleinen Roßtal lösen?

Goroll: Aber wir können darüber informieren und so Vorurteile abbauen. Mit dem Programm „Demokratie leben — Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ unterstützt der Bund lokale Partnerschaften, die Konzepte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt entwickeln und umsetzen. Diese Extremismusprävention und die Verankerung demokratischer Grundwerte in der Gesellschaft sind das, was wir verfolgen. Daran angelehnt haben wir einen Entwurf unserer Leitlinien verfasst, er steht beim nächsten Treffen am 19. Juni um 18.30 Uhr im Rathaus zur Diskussion. Dann kann auch jeder einzelne Bürger Ideen für konkrete Projekte einbringen.

 

Symbol des gemeinsamen Engagements soll ein Logo sein . . .

Goroll: . . . das es auch als Button geben wird, aber wie es aussieht, verraten wir erst am Sonntag.

 

Dann soll auch ein Baum mit Symbolcharakter gepflanzt werden.

Goroll: Ja, ein Korbiniansapfel, auf ihn hat uns der Obst- und Gartenbauverein gebracht. Der katholische Pfarrer Korbinian Aigner hat ihn gezüchtet, als er im Konzentrationslager Dachau interniert war. Vier Sorten brachte er zwischen den Baracken hoch, nur der „KZ-Apfel 3“ hat mit Aigner überlebt.

Was steht noch auf dem Programm?

Goroll: Hermann Glaser gibt ein Statement für Demokratie. Zudem wollen wir grundsätzlich daran erinnern, wie wertvoll es ist, seit 70 Jahren in Frieden zu leben und dass wir in der Verantwortung stehen, diesen Frieden zu wahren. An dieser Erinnerungskultur müssen wir arbeiten.

 

Inwieweit?

Goroll: Unsere Bevölkerungsstruktur hat sich in den vergangenen 20 Jahren massiv verändert. So etwas wie ein kollektives Gedächtnis daran, dass wir 1945 von den Amerikanern ausgebombt, aber auch befreit wurden, gibt es nicht mehr. Heute leben viele Menschen unter uns, die von deutscher Geschichte anno 1945 wenig bis gar nichts wissen. Umso wichtiger ist es, diese Vergangenheit in Erinnerung zu rufen. Dazu gehören auch die Schicksale der Vertriebenen. Letztlich haben selbst alteingesessene Roßtaler Familien Migrationshintergrund.

 

Wie meinen Sie das?

Goroll: 1632, nach der Schlacht an der Alten Veste im Dreißigjährigen Krieg, war auch in Roßtal Tabula rasa. Wer nicht geflüchtet war, fiel dieser Schlacht zum Opfer. Allein in Roßtal kostete sie 680 Zivilisten das Leben. Danach war hier Ödland. Ab 1650 siedelten sich österreichische Exulanten an, die als Lutherische aus ihrer Heimat vertrieben worden waren. Unsere Entwicklung gründet auf diesen Bauern und Handwerkern. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland mit Hilfe Vertriebener wieder aufgebaut. Diese Offenheit war Grundlage für Demokratie, Frieden und mehr Gerechtigkeit. Vor diesem Hintergrund steht es uns gut an, Menschen in Not vorurteilsfrei und offen zu begegnen.

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