Bayern: Stromnetz an der Belastungsgrenze

19.8.2017, 12:33 Uhr
Bayern: Stromnetz an der Belastungsgrenze

© Foto: Patrick Pleul/Zentralbild/dpa

Die Energiewirtschaft geht davon aus, dass in Zukunft deutlich höhere Lastspitzen auftreten als bisher, heißt es bei den Verbänden für Energie- und Wasserwirtschaft in den beiden wirtschaftsstarken Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Zugleich geht die in Süddeutschland produzierte Strommenge zurück. Die vier Übertragungsnetzbetreiber erwarten in den Berechnungen für den Netzentwicklungsplan, dass die Stromproduktion im Süden nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks 2022 deutlich unter dem Bedarf liegen wird.

Die Energiebranche im Süden rechnet nicht damit, dass auch die Nachfrage sinkt – im Gegenteil: "Wir gehen davon aus, dass der Strombedarf steigt, insbesondere, wenn Bayern ein starker Industriestandort bleibt", sagte Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Das liege vor allem an zwei Faktoren: elektrisch betriebenen Wärmepumpen und Elektromobilität. Diese würden zu "deutlich höheren Spitzenlasten vor Ort führen als wir sie derzeit haben", meint auch Torsten Höck, Geschäftsführer des baden-württembergischen Schwesterverbands VfEW.

Für die Belastung des Stromnetzes entscheidend ist die Nachfrage in Spitzenzeiten. "Wenn alle sieben Millionen Autos in Bayern elektrisch fahren würden, hätten wir einen um 20 bis 25 Prozent höheren Strombedarf", sagt VBEW-Geschäftsführer Fischer.

"Weniger Luft im System"

Auch ein Extremszenario: "Wenn sämtliche bayerischen Haushalte ein Elektroauto hätten und alle gleichzeitig abends auf die induktive Ladeplatte mit 11 kW fahren würden, bräuchten wir eine Leistung von 77 Gigawatt", sagt der Stromfachmann. Das wäre ein Vielfaches des derzeit höchsten Leistungsbedarfs in Bayern von 12,5 Gigawatt. Das werde so nicht eintreten, sagt Fischer – "weil die Akkus größer werden und daher alle Fahrzeuge nicht jeden Abend laden werden". Das Beispiel zeige aber die Dimension der Aufgabe "Elektromobilität".

Für den Normalfall erwarten die Stromfachleute auch nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks Isar II keine Probleme bei der Stromversorgung. "Aber die Redundanzen, die wir früher hatten, sind weniger geworden, es ist halt weniger "Luft" im System", sagt Fischer.

"Was passiert, wenn wir extrem tiefe Temperaturen haben, kein Wind weht, die Sonne nicht scheint und gleichzeitig Kraftwerke beziehungsweise Stromleitungen ungeplant ausfallen? Da lege ich nicht meine Hand ins Feuer." Fischer hält daher Stromknappheit an manchen Tagen nicht für ausgeschlossen.

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