Das Glück „erwirtschaften“

12.12.2014, 20:24 Uhr
Das Glück „erwirtschaften“

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Wirtschaft und menschliches Glück – das sind zwei Paar Stiefel, denkt man. Schließlich geht es in der Ökonomie vor allem um harte Zahlen, anhand derer sich Erfolg und Misserfolg messen lassen: Das Bruttoinlandsprodukt eines Landes ebenso wie Renditen eines Unternehmens. Bestenfalls dem Börsengeschehen wird etwas Glückhaftes zugeschrieben.

Diese Sichtweise ist passé, meint Karlheinz Ruckriegel, Volkswirtschaftsprofessor an der Technischen Hochschule Nürnberg mit den Schwerpunkten Makroökonomie, psychologische Ökonomie und interdisziplinäre Glücksforschung (Happiness Research). „Glücksforschung ist heute ein Megathema in der Ökonomik.“

 

Umdenken nach Finanzkrise

Den Umbruch sieht er als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise mit ihrem Höhepunkt 2008. „Vorher waren Shareholder Value und die Selbstregulierung der Märkte die alles dominierenden Themen in der Wirtschaft. Wir erlebten eine wurmstichige Ausrichtung auf alles Materielle. Nach der Krise jedoch gab es ein dramatisches Umdenken“, sagt Ruckriegel.

Lebensqualität und Zufriedenheit erschienen zumindest in der westlichen Welt wieder als Grundziele auch der Forschung. Dazu zieht er den „World Happiness Report“ der Vereinten Nationen heran, nach dem die Dänen die Hitliste der Glücklichen anführen, während die afrikanischen Länder die Schlusslichter bilden.

Es ist nicht das Geld allein

Das Gallup-Institut hat gemessen, dass neun der vorderen zehn Plätze seines Zufriedenheitsindexes von lateinamerikanischen Ländern belegt werden, während die Deutschen wie in der UN-Studie nur im Mittelfeld landen. Weil Geld allein eben nicht glücklich macht.

Das Glück „erwirtschaften“

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Doch in der Wirtschaft geht doch vieles gerade ums liebe Geld, möchte man entgegnen. Also noch ein Argument dagegen, Glücksforschung in die Ökonomie zu verfrachten? Keineswegs, befindet Ruckriegel, zumal seine Mitautoren aus dem Gesundheitswesen kommen: Günter Niklewski ist Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Nürnberger Klinikum und Andreas Haupt Krankenkassen-Betriebswirt und Geschäftsführer der Barmer GEK für Mittelfranken. Alle drei sind der Meinung, dass glückliche Arbeitnehmer langfristig den Unternehmenserfolg sichern.

Dies sei alles andere als eine Binsenweisheit, so Ruckriegel, sondern wissenschaftlich belegte Erkenntnis. Und die sei in der praktischen Personalführung leider nicht Gemeingut, sonst gäbe es nicht so viele eklatante Verstöße dagegen. „Der Grundsatz, dass zufriedene Mitarbeiter den Unternehmenserfolg ausmachen, wird trotzdem oft nicht umgesetzt.“ Anstatt sich um die Mitarbeiter, ihre Motivation und ihr Wohl zu kümmern, würden die Leistungen der Beschäftigten eher kontrolliert. Noch mehr Zeit allerdings verwendeten Führungskräfte darauf, ihrem Chef zu gefallen, sich nach außen zu profilieren und stark im Tagesgeschäft mitzumischen.

Lohnender sei es dagegen, sich zu fragen: Welches sind die Stärken dieses Mitarbeiters und welches der beste Platz für ihn? Dahinter stehe die Philosophie, dass „der Mensch von Haus aus willig ist, etwas Gutes zu bewirken. Nur eine kleine Minderheit ist unmotiviert zu arbeiten“, sagt Ruckriegel.

Von wegen faul

Ganz im Gegensatz zu den Vertretern der neoklassischen Wirtschaftstheorie mit der Auffassung, der Mensch an sich sei faul und müsse für sein „Arbeitsleid“ bezahlt werden. Ruckriegel: „Diese Sichtweise ist unhaltbar.“ Obendrein schädlich, denn wer zur Arbeit geprügelt wird, zieht sich eher zurück und macht Dienst nach Vorschrift. Ein Ergebnis schlechter Führung. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels gehe es ja gerade darum. knappe Ressourcen möglichst effizient zu nutzen.

Günter Niklewski, Vorstand am Klinikum Nürnberg, warnt vor den Gefahren von Dauerstress im privaten wie im beruflichen Leben. Krank machten nicht nur anhaltende Extremsituationen, sondern auch Leistungsdruck und Überstunden im Job oder alltägliche Kleinigkeiten, die an den Nerven zehren. Der Körper, speziell das Herz-Kreislauf-System, hält den Ausstoß des Hormons Cortisol über längere Zeit nicht aus.

Aber auch die Seele leidet. Bis zur Depression ist es dann nicht mehr weit, es sei denn, der Mensch gehört zum Typus des ewigen Optimisten, den — im Gegensatz zum hoffnungslosen Pessimisten — so schnell nichts aus dem Gleichgewicht wirft. Dank ihrer Grundeinstellung, so Niklewski, bewerten die Optimisten ihre Erlebnisse positiver und verfügen über eine größere Widerstandskraft gegenüber ungünstigen Einflüssen.

Von den meisten Menschen in unserem Kulturkreis allerdings wird das Negative viel stärker wahrgenommen als das Positive. Deshalb rät Andreas Haupt, der dritte Autor im Bunde, ein Glückstagebuch zu führen, um die schönsten Momente des Tages zu notieren und achtsam in sich aufzunehmen.

Wer sich dagegen der „Tretmühle“ ausliefert, Pausen im Arbeitsalltag weglässt, um die Aufgaben zu bewältigen und im Betrieb den Aufstieg zu schaffen, verzichtet auf Gesundheit, soziale Kontakte, kurzum: Lebensqualität. Daher sollten gerade Führungskräfte ihre „work-life-balance“ (die ausgewogene Bedürfnisbefriedigung in privatem wie beruflichem Leben) nie aus den Augen verlieren, rät Haupt. Der Barmer-Mann zitiert den Bestseller-Autor Dale Carnegie („Sorge dich nicht, lebe!“) mit dem Satz: „Kann man noch von Erfolg sprechen, wenn ein Angestellter seine Beförderung mit Magengeschwüren und Schlaflosigkeit bezahlt?“

Karlheinz Ruckriegel/Günter Niklewski/Andreas Haupt: „Gesundes Führen mit Erkenntnissen der Glücksforschung“, inklusive Arbeitshilfen online, Haufe-Verlag 2014, 29,95 Ã, ISBN: 978-3-648-05588-5.

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