Diakonie macht Menschen mit Handicap fit für den ersten Job

5.10.2018, 14:10 Uhr
Diakonie macht Menschen mit Handicap fit für den ersten Job

© Foto: Daniel Hoffmann/Rummelsberger Diakonie

Wohnen im Internat? Für die Auszubildenden des Berufsbildungswerks (BBW) der Rummelsberger Diakonie in Schwarzenbruck mit dem angeschlossenen Internatsbetrieb mit 230 Plätzen in Ein- und Zwei-Bett-Zimmern gehört das dazu. Denn das gemeinsame Wohnen soll die jungen Menschen auf ihre Rolle als Erwachsene vorbereiten, indem sie lebenspraktische Fertigkeiten erwerben, wie zum Beispiel Haushaltsführung, Geldeinteilen, Hygiene und gesundheitsbewusstes Verhalten.

Der eine oder die andere muss allerdings mit den beruflichen Wünschen zurückstecken und sich neu orientieren. Jessika beispielsweise war mit Leib und Seele bei ihrer Ausbildung zur Köchin. Zu guter Letzt aber verweigerte ihr die IHK, an der Prüfung teilzunehmen. Zu groß war das Risiko, dass sie sich bei einem ihrer aus heiterem Himmel auftretenden epileptischen Anfälle schwer verletzt.

Selbstständiger geworden

Jetzt sitzt sie mit Kopf-, Schulter- und Ellenbogenschutz vor ihrem PC in der Übungsfirma des BBW und lernt mit Begeisterung und Elan Kauffrau für Büromanagement. Das gelingt nicht zuletzt, weil sie der Facharzt der Rummelsberger, wie sie sagt, auf neue Medikamente eingestellt hat, die sie nicht wie die vorherigen ausbremsen. Zu Jessikas Aufgaben gehören neben Bürokommunikation und organisatorischen Aufgaben auch Rechnungswesen, Buchführung, Personalverwaltung und Kundenbetreuung.

Er sei selbstständiger geworden, beschreibt Lukas den für ihn größten Vorteil der Ausbildung im BBW. Der 20-Jährige würde lieber Elektroniker lernen, nur dazu benötigt er beide Hände. Wegen seiner halbseitigen Lähmung funktioniert jedoch die
Feinmotorik der rechten Hand nicht. Um auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß
fassen zu können, hätte es, wie er sagt, eines Übergangs von der Behindertenschule in die Berufswelt bedurft. "Aber wir haben in der Schule nicht einmal Bewerbungen geschrieben." Jetzt aber besteht für ihn, wenn er
die Ausbildung erfolgreich abschließt, durchaus die Chance durchzustarten.

Etwa 70 Prozent der Auszubildenden des BBW schaffen es laut Ausbilderin Melanie Gottschalk auf den ersten Arbeitsmarkt. In der Rummelsberger Einrichtung wird in 30 Berufen ausgebildet, vom Elektriker bis zur Hauswirtschafterin. Alle Ausbildungen enden nach dem Berufsbildungsgesetz mit einer ganz normalen Abschlussprüfung vor der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Handwerkskammer (HWK) oder dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF).

Berufswahl und Ausbildung sind individuell zugeschnitten auf die besonderen Bedürfnisse, Talente und Fähigkeiten der jungen Leute. Corinna beispielsweise kann sich nicht vorstellen, in einem Büro zu arbeiten. Ihr Platz ist an den Maschinen in der Halle. Sie ist im ersten Ausbildungsjahr zur Industriefachhelferin und mit ihrem Beruf hochzufrieden.

Nico wiederum hatte es zunächst auf dem ersten Arbeitsmarkt mit einer Ausbildung zum Altenpfleger versucht. Doch seine psychische Erkrankung machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Und auch jetzt in der Übungsfirma verliert der angehende Kaufmann für Büromanagement schnell den Faden und fällt, wie seine Ausbilderin sagt, spontan in seiner Leistung und Konzentration ab. Spezialisierte Fachdienste — Integrations- und Sozialdienste, medizinischer und psychologischer Fachdienst und der für Orientierung und Diagnose, dazu Ergo- und Physiotherapie — helfen den Auszubildenden, sich persönlich und beruflich zu entwickeln.

An der beruflichen Schule des BBW arbeiten Berufsschullehrer, Fachlehrer, Meister und Sonderpädagogen in einem interdisziplinären Team zusammen. Die Ausbildung ist in erster Linie praxisorientiert und theoriereduziert. Der größte Träger des BBW ist die Agentur für Arbeit.

Ursprung der Rummelsberger Diakonie ist die 1890 in der Rollnerstraße 30 in Nürnberg durch den Landesverein der Inneren Mission gegründete Diakonenanstalt. Dort fand seinerzeit die Ausbildung in der Krankenpflege statt. 1948 übernimmt der Verein "Rummelsberger Anstalten der Inneren Mission" die Einrichtung und baut in den 70er und 80er Jahren das Berufsbildungswerk intensiv aus. Seit 2012 heißt der Verein "Rummelsberger Diakonie".

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