Ein Schrecken ohne Ende? VW in Amerika vor harten Zeiten

4.10.2015, 11:45 Uhr
Ein Schrecken ohne Ende? VW in Amerika vor harten Zeiten

© AFP

Als wäre es nicht ohnehin schon schwierig genug für Volkswagen in den USA. Viele Jahre haben die Wolfsburger im Land der schweren Pick-ups und bulligen Geländewagen mit ihren Golfs und Passats kaum einen Fuß auf den Boden bekommen. Mitte des Jahres deutete sich zaghaft eine Trendwende an - und dann kam "Dieselgate". Ist es möglich, sich nach dem Abgas-Skandal wieder aufzurappeln?

"Die nächsten zwei, drei Monate werden entscheidend sein", sagt Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. "Dann können wir erahnen, wie groß die Krise in den USA für Volkswagen wird." Der durch die Affäre erzwungene Verkaufsstopp für zahlreiche Diesel-Autos in den USA dürfte VW hart treffen, die Modelle zählen zu den wenigen Absatzstützen in den USA. Jeder vierte verkaufte VW-Neuwagen im nach China größten Automarkt der Welt war bisher ein Diesel.

Die große Frage ist jetzt, wie sehr der Imageschaden auch auf die Benziner durchschlagen wird. "Dieser Schwindel könnte das Vertrauen zerstören, das sich Volkswagen über Jahre aufgebaut hat", heißt es in der renommierten "New York Times".

Worte genau abwägen

Den Zorn der Amerikaner wird VW-US-Chef Michael Horn direkt zu spüren bekommen: Er muss an diesem Donnerstag (8. Oktober) vor dem US-Kongress antreten und sich vor den Abgeordneten erklären. Anders als bei so manchem Untersuchungsausschuss in Deutschland wurden dort Chefs von Autoherstellern wie GM oder Toyota für folgenschwere Pannen schon geradezu gegrillt. Viel zu gewinnen gibt es für VW da nicht.

Dabei tut sich Volkswagen ohnehin schwer genug, richtig punkten konnte die Marke bei US-Autokäufern nie. Die Dauerbaustelle USA war dem Vernehmen nach einer der Gründe, warum Patriarch Ferdinand Piëch im Frühjahr "auf Distanz" zum inzwischen zurückgetretenen Konzernchef Martin Winterkorn gegangen war. Der mächtige VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte das US-Geschäft der Kernmarke im vergangenen Jahr gar als "Katastrophenveranstaltung" bezeichnet.

Künftig dürfte Osterloh seine Worte über den VW-Auftritt in den USA sehr genau abwägen. Er vertritt auch die mehr als 2000 Arbeitnehmer im US-Werk Chattanooga und die rund 15.000 Kollegen am mexikanischen Standort Puebla, wo auch für den nordamerikanischen Markt produziert wird. Und die Rufe nach einem Durchgreifen in den Vereinigten Staaten könnten lauter werden - jetzt, wo auf den Konzern eine Kostenlawine wegen Massen-Rückrufen, Strafzahlungen, Anwaltshonoraren und möglicherweise auch Schadenersatz-Ansprüchen zurollt.

"Ein Komplettausstieg der Marke Volkswagen-Pkw in den USA sollte in Erwägung gezogen werden", schreibt NordLB-Analyst Frank Schwope. Vor 2007 habe der Konzern jahrelang Verluste in Nordamerika eingefahren, seitdem veröffentliche VW keine Ergebnisse mehr für Nordamerika. Ein VW-Sprecher in Wolfsburg sagte, der Konzern liefere grundsätzlich keine Gewinnkennziffern zu einzelnen Ländermärkten. Schwope vermutet, dass eher Verluste als Überschüsse in den USA zu Buche stehen.

Mini-Absatzplus im September

Metzler-Autoexperte Pieper hält einen radikalen Schnitt aber für verfrüht. "Das wäre eine Option, wenn VW wirklich mit dem Rücken zur Wand steht", sagt er. "Ein so großer Hersteller wie VW kann es sich eigentlich nicht leisten, sich aus den USA zurückzuziehen." Während die Töchter Audi und Porsche auch dort Erfolge feiern, gilt die Modellpolitik von VW als verfehlt. "Es ist ganz einfach zu erkennen, was der US-Käufer will", sagt Pieper. "Große Autos. SUVs, Pick-ups - im Massenmarkt nicht zu teuer. VW hat das viel zu lange ignoriert."

Im September kam Volkswagen in den USA mit einem Mini-Absatzplus von 0,6 Prozent im Jahresvergleich noch einigermaßen glimpflich davon. Doch die Abgas-Täuschungen wurden erst Mitte des Monats bekannt, und insgesamt boomt der US-Markt wie seit Jahren nicht mehr. Die meisten anderen großen Hersteller fuhren zweistellige Zuwachsraten ein.

Spannend wird es schon im nächsten Monat. Denn in den USA werden Neuwagen meist direkt vom Hof der Autohändler verkauft und nicht - wie in Deutschland üblich - erst auf Kundenwunsch im Werk geordert. Für VW dürfte es deshalb zunächst deutlich schneller nach unten gehen als vielleicht irgendwann wieder aufwärts.

Der neue Konzernchef Matthias Müller gibt sich kämpferisch: "Ich will der Welt zusammen mit Ihnen beweisen, dass Volkswagen das Vertrauen der Menschen verdient", sagte er am Montag in einer Rede an Führungskräfte. Und dann: "Das wird ein schwerer Weg - und es wird Rückschläge geben." Zunächst aber soll Müller, so fordert es der Aufsichtsrat laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", bald in die USA fliegen und Reue zeigen - möglichst bevor auch er vor den Kongress zitiert wird.

 

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