Migration: Bamf zieht Bilanz nach sechs Jahren Blaue Karte

6.7.2018, 17:15 Uhr
Die Venezolanerin Hymalai Bello ist stolz auf ihre Blaue Karte. Die Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht ihr als Akademikerin, in Nürnberg zu leben und zu arbeiten.

© Foto: Roland Fengler Die Venezolanerin Hymalai Bello ist stolz auf ihre Blaue Karte. Die Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht ihr als Akademikerin, in Nürnberg zu leben und zu arbeiten.

Eigentlich wollte Hymalai Bello nach ihrem Studium in Kaiserslautern wieder in ihre Heimat Venezuela zurückkehren – "um etwas für mein Land zu tun", wie sie sagt. Aber das autoritäre Regime von Nicolás Maduro hat der einst reiche Staat in eine humanitäre Krise gestürzt. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben bereits 87 Prozent der Venezolaner in Armut. Hunderttausende flohen ins Ausland. Wegen jahrelanger Misswirtschaft, Korruption und einer hohen Schuldenlast verfügt das ölreichste Land der Welt kaum noch über Devisen, um Lebensmittel, Medikamente oder Dinge des täglichen Bedarfs zu importieren.

Bewerber müssen Hochschulabschluss nachweisen

Und so nennt Hymalai Bello Nürnberg seit vier Monate ihr neues Zuhause. Eine Stelle beim Telekommunikationskonzern Nokia hat die 26-Jährige in die Frankenmetropole gebracht. Ihren Aufenthalt sichert eine Blaue Karte. Seit fast sechs Jahren gibt es diesen Aufenthaltstitel für Akademiker aus Nicht-EU-Ländern. Die Bewerber müssen einen deutschen oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss und ein jährliches Bruttogehalt von mindestens 52.000 Euro nachweisen. Die Blaue Karte ist damit ein Instrument, das gezielt auf die Migration von Hochqualifizierten abzielt.

Denn so erfreulich die aktuellen Arbeitsmarktzahlen sind, desto düsterer sieht die Zukunft für bestimmte Branchen aus. Schon jetzt zählen etwa IT-Spezialisten, Bautechniker und Straßenbahnfahrer zu den Mangelberufen. Trotzdem sei das oberste Ziel, die offenen Stellen mit inländischem Personal zu besetzen, das entsprechend qualifiziert werden soll, beteuert Axel Pieper, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit in Bayern.

200.000 Menschen in Bayern sind derzeit ohne Arbeit. Wie die Zahlen bestätigen, sind vor allem Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung von Arbeitslosigkeit betroffen. Während 2017 im Durchschnitt 10,1 Prozent der Arbeitslosen keine Berufsausbildung nachweisen konnten, waren nur 1,9 Prozent der Akademiker arbeitslos gemeldet.

Ohne Zuwanderung bleiben Stellen unbesetzt

Trotz der annähernden Vollbeschäftigung unter Fachkräften blieben viele Stellen ohne Zuwanderung unbesetzt, sagt Pieper. So beruht die Hälfte des Beschäftigungsaufbaus in Bayern auf dem Zuwachs ausländischer Arbeitnehmer. Die Akademiker werden mitunter gezielt von Mitarbeitern der Bundesagentur für Arbeit im Ausland angeworben. Branchen, die eine Berufsausbildung erfordern, können von der Blauen Karten hingegen nicht profitieren.

Elektroingenieurin Bello hat an einer deutschen Universität studiert und ihren Aufenthaltsstatus mit der Blauen Karte besiegelt. Fast die Hälfte der 21.727 erteilten Karten wurden 2017 an sogenannte Statuswechsler vergeben. Eine Zahl, die Kritikern den Wind aus den Segeln nimmt, die argumentieren, die Blaue Karte würde teuer ausgebildetes Personal aus anderen Ländern abwerben.

Möglichkeit für dauerhaften Aufenthalt

Bereits nach drei Wochen konnte Bello ihre Blaue Karte in den Händen halten. Ihr Ziel, längerfristig hier zu leben, kann sie damit vergleichsweise einfach erreichen. Die Karte ermöglicht es ihr, schon nach 21 Monaten ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen – vorausgesetzt sie spricht gut genug Deutsch. Doch viel mehr als das Sprachniveau A2, das etwa einem Gespräch mit Freunden entspricht, bedarf es nicht. Darum sitzt Bello jeden Tag nach Feierabend vor dem Computer, um mit einem Online-Programm Deutsch zu lernen. Bei weniger guten Sprachkenntnissen haben Bewerber nach 33 Monaten einen Anspruch, zu bleiben. Familienmitglieder können ganz ohne Sprachkenntnisse nachgeholt werden.

Die Erteilungszahl hat sich seit Einführung der Blauen Karte im Jahr 2013 innerhalb von fünf Jahren nahezu verdoppelt. Fast 77.000 Zuwanderer konnten bisher von der Aufenthaltsgenehmigung profitieren. Fast 85 Prozent der ehemaligen Blaue-Karten-Inhaber besitzen mittlerweile ein unbefristetes Aufenthaltsrecht. Ein Viertel von ihnen kommt aus Indien. Zusammen mit China, Russland, den USA und der Ukraine stellt das Land damit die Hälfte der aktuellen Kartenbesitzer. Im europaweiten Vergleich ist Deutschland führend: Rund 85 Prozent aller Karten werden hierzulande ausgestellt.

"Deutschland ist sehr stark in der Forschung und die Bezahlung ist auch gut", sagt Bello über ihre Motivation, in Deutschland zu arbeiten. Trotzdem stand am Anfang ein Lernprozess: "Man umarmt hier niemanden einfach so."

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