Nur Bares ist Wahres - nur wie lange noch?

29.3.2018, 05:54 Uhr
Stecken in den Geldbörsen der Verbraucher bald nur noch Karten? Oder verhindert die Liebe der Deutschen zu Scheinen und Münzen den Tod des Bargelds?

© Daniel Reinhardt (dpa) Stecken in den Geldbörsen der Verbraucher bald nur noch Karten? Oder verhindert die Liebe der Deutschen zu Scheinen und Münzen den Tod des Bargelds?

Schweden muss das Paradies sein — zumindest aus Sicht von Polizeibeamten, Steuerfahndern, Kreditkartenanbietern und manch eines Notenbankers. Denn weit im Norden Europas werden immer weniger Münzen und Scheine über den Ladentisch oder den Tresen gereicht. Es gibt sogar Cafés und Museen, in denen Bargeld nicht mehr akzeptiert wird — wie das Abba-Museum in Stockholm. Kartenzahlungen seien "für alle sicherer und effizienter", heißt es auf der Homepage der Einrichtung, zu deren Partnern der Kreditkartenanbieter Mastercard zählt.

Es ist eine These, der sich auch viele Kriminalitätsbekämpfer anschließen. Steuerhinterziehung, das organisierte Verbrechen: Bargeld erleichtere beidem das Geschäft.

Limit bei 1000 Euro

Aus diesem Grund hat die Europäische Zentralbank beschlossen, keine frischen 500-Euro-Scheine mehr zu produzieren. Aus diesem Grund gibt es in vielen Staaten Europas eine Bargeldobergrenze bei Zahlungen. Besonders streng sind hier Frankreich und Portugal mit einem Limit von 1000 Euro. Am großzügigsten ist die Slowakei mit 5000 Euro. Dazwischen liegen Griechenland, Spanien, Italien und Belgien.

Thiess Büttner, Professor für Volkswirtschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, sieht die Begrenzung skeptisch. Bargeld mag mit Blick auf die Kriminalität zwar eine gewisse Rolle spielen. Im Steuerskandal um die illegalen Cum-Ex-Geschäfte, mit denen der Fiskus um Milliardenbeträge gebracht wurde, sei es aber beispielsweise außen vor gewesen. Außerdem kollidiere die Obergrenze mit dem Prinzip der Vertragsfreiheit. "Bargeld komplett abzuschaffen, das hielte ich für absurd", so der Wissenschaftler.


+++ Kommentar: Warum wir Münzen und Scheine brauchen +++


Und auch Stefan Hardt, Leiter des Zentralbereichs Bargeld bei der Bundesbank, meint: "Kriminelle finden einen Weg, um ihre Kriminalität ohne Bargeld auszuleben."

Dass das Bare nicht an Bedeutung verliert, zeigt unterdessen der Blick auf die Statistik. Ganz im Gegenteil hat die Menge der Scheine seit der Euro-Bargeldeinführung deutlich zugenommen: Im Jahr 2002 lag die Summe der Banknoten im Eurosystem bei 221 Milliarden Euro, 2017 waren es 1171 Milliarden. Euro. 635 Milliarden davon entfallen auf die Bundesbank. Der geringste Teil davon, nämlich bis zu zehn Prozent, wird für Transaktionen verwendet, berichtet Bundesbanker Hardt. Unter deutschen Matratzen, in Safes oder auch in Gefrierschränken werden weitere 25 Prozent gehortet: Viele fühlten sich mit dieser Bar-Reserve einfach sicherer, so Hardt.

Gros geht ins Ausland

Der Löwenanteil jedoch wandert ins Ausland. In Staaten mit schwachen Währungen und hoher Preissteigerung nutzen Bürger den Euro als Stabilitätsanker.

Zurück ins Inland: Kartenzahlungen werden zwar beliebter. Doch Bargeld spielt weiter die dominierende Rolle. Drei von vier Einkäufen werden laut Bundesbank noch immer bar bezahlt. Vor allem bei Ausgaben bis 50 Euro ist für Konsumenten Bares Wahres. Bei höheren Summen greifen Kunden dagegen gerne auf Karten oder Überweisungen zurück. Demzufolge liegt der Barzahlungsanteil – gemessen am Umsatz – bei 47,6 Prozent.

Frank-Christian Pauli vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hält es für wichtig, dass Konsumenten die Wahl haben, wie sie bezahlen. Bargeld sei hierzulande fest verankert, die meisten wollten es behalten — aus ganz unterschiedlichen Gründen. Viele bewahren mit Barem leichter den Überblick über ihre Finanzen, berichtet der Verbraucherschützer. So heben nicht wenige Menschen einen bestimmten Betrag ab, der für einen festgelegten Zeitraum reichen muss.

Aber auch als "Rückfallebene" seien Münzen und Scheine gefragt, sagt Pauli. Soll heißen: Bargeld wird für die Fälle geschätzt, wenn die Kartenzahlung zum Beispiel wegen eines technischen Defekts nicht möglich ist. Bargeld funktioniert aber nicht nur ohne Strom, ohne Technik und ohne Handy, es braucht auch keine zusätzlichen Anbieter wie Kreditkartenfirmen, die sich ihre Dienstleistung bezahlen lassen.

Blablacar macht Rückzieher

Ein weiterer Aspekt: Beim unbaren Transfer ist jeder Vorgang verfolgbar. Das hat Vorteile, wenn der Nachweis für eine Zahlung gewünscht ist. Der Nachteil: Verbraucher hinterlassen tiefe Spuren. Nicht jeder wolle aber dokumentieren, wie oft er in der Apotheke einkauft, sagt Pauli.

Für Notenbanken wiederum wäre eine bargeldlose Welt grundsätzlich attraktiv. Denn dann könnte niemand Minuszinsen umgehen, indem er Geldscheine bunkert. Bundesbankchef Jens Weidmann sähe in der Bargeldabschaffung jedoch eine "völlig unverhältnismäßige Antwort auf die geldpolitischen Herausforderungen".

Unter den Verfechtern einer schein- und zinslosen Zukunft haben die ersten derweil einen Rückzieher gemacht: Der Mitfahrdienst Blablacar hat im Februar angekündigt, fortan könnten Kunden bei ihm wieder mit Bargeld bezahlen. Und Italien hat bereits vor zwei Jahren die Obergrenze für Barzahlungen von 1000 Euro wieder auf 2999,99 Euro erhöht.


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