Nürnberger Prinovis-Betriebsrat: "Wir fühlen uns belogen"

12.4.2019, 06:00 Uhr
Nürnberger Prinovis-Betriebsrat:

© Oliver Acker, www.digitale-luftbilder.de

Das ist bitter. Einst hatte der Nürnberger bei Prinovis gelernt, blieb bei dem Arbeitgeber über viele Jahre. Und nun das Aus. Dabei hatte der Facharbeiter und zweifache Familienvater erst im vergangenen Jahr ein Haus in der Gartenstadt gebaut und steht jetzt vor einem Schuldenberg.

Es sind Schicksale wie diese, die am Tag 1 nach der Ankündigung der Prinovis-Mutter Bertelsmann, den fränkischen Tiefdruck-Standort Ende April 2021 zu schließen, viele Menschen bewegen. 670 Mitarbeiter trifft es bei der Druckerei direkt, dazu weitere 250 über Leih- oder Werkverträge Beschäftigte.


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Keine zehn Meter könne er über das Gelände im Stadtteil Langwasser gehen, ohne von einem Kollegen oder einer Kollegin mit Sorgen und Ängsten konfrontiert zu werden, berichtet Standort-Betriebsratschef Thomas Scharrer. Wie schnell wird die Produktion heruntergefahren? Wenn man früher geht, gefährdet das eine mögliche Abfindung? Was ist mit der Option Frühverrentung?

"Das Schwierige ist, dass ich die Antworten darauf auch noch nicht kenne", gesteht Scharrer. Das alles müsse jetzt erst in den anstehenden Gesprächen über einen Sozialplan und Interessenausgleich mit dem Unternehmen verhandelt werden.

Für die Unruhe und auch die Wut unter den Kollegen habe er jedes Verständnis, so der Betriebsratschef: "Wir fühlen uns belogen." Nürnberg, Ahrensburg, Dresden: Welcher der drei Standorte welchen Tiefdruck-Auftrag erhalte, sei vom Unternehmen schon seit Jahren zentral entschieden worden - immer mit der Zusage, dass am Ende nur das Prinovis-Gesamtergebnis zähle. Dass Bertelsmann jetzt auf einmal doch als ein Grund für das Aus nenne, dass in Nürnberg die Verluste besonders hoch sind? Für Scharrer ist das Wortbruch. "Wir hatten doch gar keinen Einfluss darauf, ob wir ein lukratives oder weniger lukratives Produkt hier drucken."

Frust bricht sich auch bei ver.di Bahn, die Gewerkschaft wirft Bertelsmann eine verfehlte Strategie vor. Erst 2017 beispielsweise seien in Nürnberg drastische Lohneinbußen durchgesetzt worden - verbunden mit der Aussicht, dass das die Arbeitsplätze sichere.

"Bertelsmann steht jetzt in der Pflicht, die unter der Vortäuschung falscher Tatsachen in Nürnberg abgepressten Lohneinbußen an unsere Kollegen zurückzuerstatten", fordert ver.di-Vizechef Frank Werneke. Mit Abfindungen sei es nicht getan. "Es geht jetzt um ein umfassendes Programm zur Entwicklung von Beschäftigungsalternativen und um umfassende Qualifizierung."

Gebannt verfolgt wird die Entwicklung auch bei der TV-Zeitschrift rtv und in der Agentur MBS, wo etwa die Fotos für den Online-Auftritt von Puma entstehen. Beide, rtv mit rund 105 und MBS mit 125 Mitarbeitern, gehören ebenfalls zu Bertelsmann - und sitzen auf dem gleichen Gelände wie Prinovis.

Bertelsmann-Chef Thomas Rabe versichert, dass rtv und MBS vom Druckerei-Aus nicht betroffen seien. MBS-Betriebsrat Jan Botzenhardt und seine rtv-Kollegin Carola Kristen vertrauen dieser Zusage erst einmal. Wobei Kristen schon damit rechnet, sich demnächst wohl neue Räume suchen zu müssen. "Aber wir bleiben definitiv in Nürnberg."

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