Prozess in Nürnberg: Spekulant will 78 Millionen von der SZ

24.6.2018, 05:34 Uhr
Prozess in Nürnberg: Spekulant will 78 Millionen von der SZ

© Solar Millennium

In der ganzen Geschichte, so sagt Herr J. im schönsten Schwiizerdütsch, sei nicht er die Hauptperson. Er sei nur ein Immobilienunternehmer aus Basel, mit erneuerbaren Energien habe er nicht viel zu tun. Das Geschäft habe vor allem Herr L. eingefädelt. Auch er wartet, in dem Zivilprozess als Zeuge gehört zu werden und flog eigens aus Istanbul nach Nürnberg. Beide betonen, wie gerne sie "zur Wahrheitsfindung" angereist seien.

Der Kontakt zu Hannes Kuhn bahnte sich über eine gute Referenz in London an, am 18. Juni 2013, so schildert J., traf er Hannes Kuhn in Basel – die Begegnung sei ein "wahrer Glücksfall" gewesen, formuliert er im Landgericht Nürnberg-Fürth.

Millionenschweres Geschäft bahnte sich an

Kuhn hatte das exklusive Vorkaufsrecht an einem Mineralölunternehmen, J.s Firma wollte 3000 Tankstellen in Indonesien mit einer Apparatur ausstatten, die ausströmende Gase verflüssigt. Kurz: Ein millionenschweres Geschäft bahnte sich an. "Das ist auch gut für den Umweltschutz", erwähnt Volkswirt J. im Landgericht.

Die Gespräche seien weit gediehen, es gab einen Vertragsentwurf, sagt Herr J.: Doch bevor es so weit kam, platzte das Geschäft – denn J. erhielt von einem guten deutschen Freund einen Anruf. Er wies J. darauf hin, dass die Süddeutsche Zeitung über eine spektakuläre Zockerei mit Solar-Millennium-Aktien berichtete – ausgerechnet Firmengründer Hannes Kuhn, so heißt es in dem Artikel, habe auf den Sinkflug der Aktien gewettet und dazu Insiderwissen verwendet.

J. will mit Hannes Kuhn wegen der Vorwürfe telefoniert haben – als dieser erklärte, die Presse bausche alles auf, will sich Herr J. zufriedengegeben haben. Doch als er im Schweizer Tages-Anzeiger – die Zeitung stützte sich auf SZ-Informationen – einen ähnlichen Artikel entdeckte, ging es ganz schnell.

Mit Kuhn, dem vormaligen Glücksfall, wurde gar nicht mehr gesprochen, behauptet J.: In der Gruppe der "ehrbaren Kaufleute" mit denen er Geschäfte mache, sei ein Zocker fehl am Platz. So deutlich habe er es damals am Telefon nicht ausgedrückt, sagte der Schweizer Unternehmer jetzt. Er habe Kuhn gesagt, er fürchte, es drohe Haft. Er informierte Herrn L. und der Deal platze.

"Schade um die Bäume"

Heute will Kuhn 78,4 Millionen Euro von der SZ. Bereits damals ließ er sich den Vorwurf des Insiderhandels nicht bieten und erwirkte am Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen das Blatt – die Zeitung durfte die Vorwürfe nicht wiederholen.

Dazu muss man wissen, dass besagte einstweilige Verfügung ohne Anhörung erlassen wurde. Anders ausgedrückt: Weil subjektive Rechte wirksam geschützt werden sollen, und dies möglichst rasch bereits vor der Entscheidung über eine Klage, konnte sich die Zeitung zu Kuhns Vorwürfen gar nicht äußern.

Nun, fünf Jahre später, ruft Kuhn das Landgericht Nürnberg-Fürth im Hauptsacheverfahren an. Sollte das Gericht der Klage folgen und Hannes Kuhn recht geben, würde dies die Existenz der Süddeutschen Zeitung gefährden – vielleicht halten Beobachter Kuhns Klage deshalb für einen Rachefeldzug.

Doch bereits zu Beginn verhehlte die Vorsitzende Richterin Monika Bieber nicht, dass im 50-Seiten-Schriftsatz des Klägeranwalts "viel Verschwörungstheorie, aber wenig Sachliches" zu finden sei. "Schade um die Bäume", kommentierte die Richterin. Auch nun, als die Zivilkammer in die Beweisaufnahme eintritt, verschweigt sie nicht, dass es ihr schwerfalle, den Zeugen zu glauben.

Solarfirma hatte schlechten Ruf

Im Saal zählt Herr L. all die Namen seiner "honorigen Geschäftspartner" auf – bis ihn Richterin Bieber unterbricht. Er solle auf Fragen antworten und nicht langatmig ablenken. Was die Richterin stutzig macht: Als sich damals das Millionengeschäft anbahnte, war der Ruf um die Solarfirma dunkel, der Name Hannes Kuhn mit mehr als 15 Gerichtsverfahren verbunden und vor dem Landgericht Düsseldorf lag eine Betrugsanklage gegen ihn vor. Tausende Anleger hatten etwa 200 Millionen Euro verloren.

"Und diese Anklage war für Sie nicht so ehrenrührig wie die Zockerei in der eigenen Firma? Der Pressebericht hat Sie stärker beeindruckt?", hakt die Richterin nach. Beide Zeugen nicken. Obwohl es um Millionengeschäfte ging, wollen sie sich nie im Vorfeld über Kuhn erkundigt haben, heute habe man mit ihm nichts mehr zu tun, kurz vor der Verhandlung gingen sie gleichwohl mit ihm mittagessen. "Haben Sie über das Verfahren gesprochen?", will die Richterin wissen. Nein, natürlich nicht, versichern die Zeugen.

Die Kammer ließ bereits durchblicken, dass sie die Klage abweisen könnte; fortgesetzt wird am 2. August. Es falle schwer, den Zeugen zu glauben – und der Artikel in der SZ ließ das Geschäft wohl nicht platzen. Die beiden Zeugen haben ihn bis heute nicht gelesen.

1 Kommentar