Puma-Chef: Turnschuhe im Büro sind kein Tabu

31.10.2017, 05:58 Uhr
Puma-Chef: Turnschuhe im Büro sind kein Tabu

© Foto: Edgar Pfrogner

Der Herr über 1466 Mitarbeiter allein in Deutschland, davon 1039 am boomenden Hauptquartier Herzogenaurach, will das stark wachsende Segment frauenspezifischer Produkte stärker nutzen. Und sagt voraus, dass bald Sportläden nur für Frauen, wie es sie in den USA schon gibt, auch nach Europa kommen werden.

Welches ist das nächste Fußballspiel, auf das Sie sich freuen?

Björn Gulden: Italien gegen Schweden, ein Play-off-Spiel zur WM 2018 in Russland, dann Schweiz gegen Nordirland. Das wird spannend.

Apropos Schweden und Skandinavien. Als der Däne Kasper Rorsted vor einem Jahr an die Spitze von adidas rückte, witzelten viele: "Skandinavier übernehmen Herzogenaurach." Fühlen Sie sich als Norweger?

Gulden: Mit Kasper verstehe ich mich gut, fühle mich ihm aber nicht in erster Linie als Skandinavier verbunden. Ich lebe schon so lange im Ausland, dass ich das gar nicht mehr bewusst wahrnehme. Ich liebe Norwegen, mein ältester Sohn lebt dort, wir haben zwei Häuser. Zu den Feiertagen und zum Skifahren fliegen wir ab und zu hin. Genauso oft bin ich aber in den USA. Irgendwie ist also die Welt für mich meine Heimat.

Wie war Ihre Zeit als Student an der Universität in Nürnberg?

Gulden: 1985, als Profi-Spieler beim 1. FCN, hatte ich mich schwer verletzt. Alfons Madeja war damals Club-Manager und Professor für Betriebswirtschaft in Nürnberg. Ich schrieb mich bei ihm ein, einfach, weil ich nicht spielen durfte und deshalb etwas Neues machen wollte.

Wie ist Ihre Erinnerung an die Nürnberger Zeit?

Gulden: Es war vor allem eine unruhige Zeit. Mein Traum war ja, Profi-Fußballer zu werden. Ich musste nach meiner Knieverletzung oft operiert werden und wusste nicht, ob ich jemals wieder spielen konnte. Damals waren viele Norweger an der Uni, bekannt für einen lustigen Lebensstil, viele Partys und so. Das passte nicht zu meinen Zielen als ehrgeiziger Sportler. Nein, diese Zeit habe ich leider nicht so richtig genießen können.

Immer mehr Leute tragen Turnschuhe, vom Kleinkind bis zur Oma. Hierbei bemerkt man Länderunterschiede.

Gulden: Ja. Der Amerikaner hat im Durchschnitt vier Paar Sportschuhe im Schrank, der Deutsche eines. In Sportschuhen ins Büro zu kommen, war in Deutschland lange ein Tabu. Das ändert sich. Ist ja auch eine Frage des Komforts, des weichen Materials und der Dämpfung. Wenn eine Frau aus ihren High Heels in Sneaker schlüpft, ist das für sie wie eine Erlösung. Unsere Branche profitiert von diesem Trend, auch Branchenfremde steigen in diesen Markt ein.

Ist mehr Wettbewerb schlimm, da doch der Kuchen größer wird?

Gulden: Richtig ist, dass unsere Branche schneller wächst als die einzelnen Volkswirtschaften. Wobei in den USA und Europa auch eine gewisse Sättigung zu beobachten ist, ganz anders als in neuen Märkten wie China. Generell kommt uns natürlich der Trend zum gesunden Leben zugute.

Frische Zahlen von Wettbewerbern wie Nike oder Under Armour sehen weitaus schlechter aus als die von Puma. Erfüllt Sie das mit Genugtuung?

Gulden: Nike hat über Jahre einen fantastischen Job gemacht, das sage ich voller Respekt. Vielleicht setzt gerade eine Art Sättigung ein. Aber allein um 35 Milliarden Dollar Nike-Umsatz zu halten, muss man sehr gut sein. Bei Nikes Problemen Genugtuung zu empfinden, wäre falsch. adidas hat sich auch prima entwickelt, speziell in den letzten zwei bis drei Jahren. Respekt vor Under Armour, die haben in Amerika einen tollen Job gemacht, aber in Europa haben sie es schwerer. Dadurch entsteht mehr Platz für uns.

Hersteller und Fachhandel entdecken die Frauen als wichtige Konsumentengruppe. Im Kommen sind Sportläden nur für Frauen. Ist das ein guter Weg?

Gulden: Ich schätze, dass ein Drittel unserer Produkte speziell für Frauen ist. Vieles andere ist unisex, nur in anderen Größen und Farben. Frauen kaufen heute viel bewusster ein. Es gibt in den USA viele Sportläden nur für Frauen wie zum Beispiel Lady Footlocker oder Lululemon. In Europa gibt es das bisher noch nicht, aber durchaus Pläne. Man kann darüber streiten, schließlich kaufen Frauen ja auch für ihre Kinder und Männer ein. Sicher ist, dass Frauen eine andere Einrichtung der Läden wollen, zum Beispiel mehr Spiegel.

Der Sprinter Usain Bolt, der bei Ihnen unter Vertrag ist, hat bald mehr Zeit für Puma, wird vielleicht sogar nützlicher sein, weil er dann nicht nur Spikes trägt, die keiner kauft. Wie sehen Ihre Pläne aus?

Gulden: Seit seinem letzten Lauf in London ist er viel unterwegs, Formel- 1-Rennen bei Mercedes, Talkshows, Events, die sozialen Medien sind voll davon. Was er genau will, sei es Musik, Mode oder doch mehr unser Markenbotschafter sein, ist noch nicht klar erkennbar. Wir wollen ihm nichts aufdrücken, das käme auch bei den Verbrauchern nicht authentisch rüber. Unsere Leute begleiten ihn ständig. Jetzt ist die Zeit, in der er viele Dinge ausprobiert. In den nächsten Monaten werden wir sehen, wofür er sich entscheidet.

Macht er jetzt in Fußball?

Gulden: Er hätte neulich bei Borussia Dortmund mittrainieren sollen, aber da war er verletzt.

Und wie gut ist Bolt als Kicker?

Gulden: Auf jeden Fall ist er sehr schnell auf dem Rasen. Und überzeugt davon, dass er es kann.

Wie lange kann sich der Sponsor Puma noch Mannschaften leisten wie Borussia Dortmund und Arsenal?

Gulden: Wir können immer solche Mannschaften haben. Wir haben es ja auch in der Vergangenheit geschafft, in Zeiten also, in denen wir weniger Geld verdient haben als heute.

Wird Puma in die klassischen amerikanischen Mannschaftssportarten einsteigen wie Baseball und Basketball?

Gulden: Heute noch nicht. Aber da wir weltweit erfolgreich sein wollen, auch in den USA, werden wir den Teamsport ausbauen. Allerdings gehört dazu ein Gesamtkonzept und so weit sind wir noch nicht. Beim Golf sind wir ja schon dabei. Und das Schöne ist, dass Puma aufgrund der Unternehmensgeschichte absolut legitimiert ist, wieder in eine US-Sportart einzusteigen.

Wünschen Sie sich, dass Puma Ihr letzter Job sein wird? Und sagen Sie jetzt nicht: "Das müssen Sie den Mutterkonzern Kering fragen."

Gulden: Nein, sage ich nicht, aber letztlich ist es die Entscheidung der Franzosen. Puma zu führen, ist aus meiner Sicht nicht nur ein Job, sondern ein Lebensstil. Ehrlich gesagt, blicke ich auch nicht weit in meine persönliche Zukunft. Zentral ist die Marke, ich bin dagegen nur ein Nebenprodukt. Ich hätte nichts dagegen, lange dabeizubleiben. Allerdings kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man nichts mehr beitragen kann. Dann hat es keinen Sinn, an seinem Stuhl zu kleben.

 

 

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