Roboterarme ermöglichen Röntgen in allen Lebenslagen

29.11.2015, 17:40 Uhr
Roboterarme ermöglichen Röntgen in allen Lebenslagen

© Foto: Harald Sippel

Ein Unfall, wie er jeden Tag passiert: Die junge Frau ist vom Fahrrad gestürzt und hat starke Schmerzen im Handgelenk. Im Krankenhaus lässt der Unfallchirurg das Handgelenk röntgen, doch die vermutete Fraktur lässt sich auf der Aufnahme nicht feststellen.

Die Schmerzen werden schlimmer, der Chirurg braucht eine Computertomographie (CT), um Klarheit zu bekommen. Normalerweise müsste die junge Frau mit ihren Schmerzen jetzt erst in einen anderen Untersuchungsraum gebracht werden, dort erneut warten, um sich dann nach weiteren schier endlosen Minuten in Bauchlage – den noch immer schmerzenden, unbehandelten Arm weit nach vorne ausgestreckt – scannen zu lassen. Nur so bekommt der Radiologe Schnittbilder und 3D-Aufnahmen vom Handgelenk, die dann eine gesicherte Diagnose zulassen.

Eine langwierige, für den Patienten oft quälende Prozedur. Siemens hat mit seinem Multitom Rax (Robotic Advanced X-Ray) jetzt ein Roboter-basiertes Röntgensystem entwickelt, das solche Situationen für die Patienten deutlich entspannter sein lässt – und den Kliniken und anderen Anwendern, unter anderem durch verkürzte Diagnosezeiten, auch betriebswirtschaftliche Vorteile bringen soll. Röntgen und CT-Scannen ist in einem System im selben Raum vereint. Umziehen und erneutes Warten entfallen, es sind dieselben Mitarbeiter, die Hand anlegen, das soll Personalkosten sparen. Und ein weiterer Vorteil für den Patienten: Er muss seine Lage – ob stehend oder liegend – nicht dem Gerät anpassen, der Röntgenapparat passt sich dank der beiden Roboterarme der Lage des Verletzten oder Kranken an.

Diese beiden an die Decke gehängten Arme lassen sich automatisch sowie bei Bedarf – beispielsweise zur Feinjustierung – auch manuell mittels Servomotoren in Position bringen. Während der eine die Röntgenröhre samt großem Berührbildschirm führt, trägt der andere Arm den 43 mal 43 Zentimeter großen Flachdetektor, der nicht nur statische und dynamische Bilder, sondern auch fluoroskopische Sequenzen ermöglicht. Neben konventionellen 2D-Aufnahmen ermöglicht das System Fluoroskopie-Untersuchungen, Angiographie-Anwendungen und eben sogar eine 3D-Bildgebung.

„Für uns stellt Multitom Rax ein Universalgerät dar, das die komplette Röntgendiagnostik abdeckt“, zeigt sich Professor Michael Lell, Leitender Oberarzt am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen, bei der erstmaligen Präsentation angetan von der Siemens-Entwicklung, die er gemessen am praktischen Nutzen mit einem Schweizer Taschenmesser vergleicht. Allerdings sei noch offen, so schränkt der Arzt ein, wie groß der praktische Nutzen tatsächlich ist. „Der Produktivitätsfortschritt ist derzeit noch nicht messbar“, so der Mediziner, „weil in der Markteinführungsphase noch nicht genügend Fallzahlen gegeben seien, um Erfolge messbar zu machen.“

Einzigartige Kooperation

„Die Röntgentechnik ist zwar bereits rund 120 Jahre alt“, erläutert Lell im Hinblick auf die Technologie des Multirom Rax, „doch ist Röntgen immer noch die Hauptmasse unseres täglichen Geschäftes.“ Erprobt wurde das Gerät am Imaging Science Institute in Erlangen, das die Uniklinik und Siemens Healthcare zusammen betreiben. Es ist eine in der Art einzigartige Zusammenarbeit, wie Lell betont. Sie ist ausgerichtet auf die interdisziplinäre, patientennahe Forschung noch vor Produkteinführung.

Siemens selbst verspricht sich viel von dieser neuen Gerätegeneration. Gespannt wartetet man auf die Marktreaktionen, wenn das Multitom Rax jetzt auf der für die gesamte Branche wichtigen Fachmesse in Chicago vorgestellt wird. Bisher wurde das Röntgengerät weltweit erst zehnmal aufgestellt.

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