Verbraucher klagen gegen VW: Was Kunden wissen sollten

16.10.2018, 18:00 Uhr
VW muss sich auf eine Musterklage gefasst machen, an deren Anmeldung eine Plattform nun die Betroffenen erinnert.

© Julian Stratenschulte/dpa VW muss sich auf eine Musterklage gefasst machen, an deren Anmeldung eine Plattform nun die Betroffenen erinnert.

Vom VW-Abgasskandal betroffene Autofahrer können sich bald zu der Musterfeststellungsklage gegen den Konzern anmelden. Ab wann das möglich ist, steht noch nicht genau fest. Die Zeitschrift Finanztest (Ausgabe 11/2018) rät Betroffenen, sich online auf der Plattform www.musterfeststellungsklagen.de des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) anzumelden. Dann erhielten sie eine Nachricht, sobald es losgeht und bekämen weitere Informationen.

Dem Bericht zufolge ist eine Anmeldung für die Musterklage voraussichtlich ab Ende November möglich. Auch Autofahrer, die bereits eine Umtauschprämie von VW erhalten haben, könnten sich anschließen, heißt es weiter. Online bieten Dienstleister auch an, die Anmeldung zu übernehmen. Dafür wird bei einem Erfolg der Klage aber eine Provision von fast 30 Prozent der gewonnenen Summe fällig. Die Experten raten deshalb zum Abwarten: Verbraucher sollten zunächst selbst versuchen, ihre Rechte anzumelden. Erst wenn das nicht klappt, sollte man über diese teure Hilfe nachdenken.

Was wollen Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und ADAC für die Verbraucher erreichen?

Ziel der Musterklage ist, dass das zuständige Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) feststellt, dass der VW-Konzern durch Einsatz von Manipulationssoftware vorsätzlich sittenwidrig gehandelt und betrogen hat. Laut Ansicht der Initiatoren schuldet der Autobauer den Käufern deshalb Schadenersatz. Am Ende steht entweder ein Vergleich — dann werden alle Registrierten, so dieser genehmigt wird, entsprechend entschädigt. Oder es ergeht ein Urteil: Zugunsten oder Ungunsten der Autokäufer.

Sollte das Gericht im Sinne der Kläger entscheiden, bekommen die Autokäufer dann automatisch eine Entschädigung?

Nein, das ist die Krux der Musterfeststellungsklage. Die Entscheidung des OLG ist in diesem Fall nur der erste Schritt des zweistufigen Verfahrens, das die Regierung im Mai beschlossen hat und das nun erstmals Anwendung findet. Im zweiten Schritt muss jeder Verbraucher selbst gegen VW vor Gericht ziehen. Mit dem Feststellungsurteil im Gepäck hat er laut ADAC zwar "gute Aussichten" - eine Garantie für eine Entschädigung ist es aber nicht. Das finanzielle Risiko im Fall einer Niederlage bleibt also beim Verbraucher.

Wer kann sich an der Klage gegen den VW-Konzern beteiligen?

Anschließen können sich ausschließlich Fahrer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 (Vierzylinder, Hubraum: 1,2; 1,6; 2,0 Liter), in denen eine illegale Abschaltrichtung verwendet wurde. Die Halter wurden bereits vom Kraftfahrtbundesamt aufgefordert, Nachrüstungen von VW vornehmen zu lassen. Der Kauf muss nach dem 1. November 2008 erfolgt sein.

Wie kann man sich der Feststellungsklage anschließen?

Verbraucher können sich anmelden, indem sie sich in ein Klageregister eintragen. Dieses wird voraussichtlich Mitte November vom Bundesamt der Justiz eingerichtet.

Welche Risiken birgt das Verfahren für die Verbraucher?

Im Zuge der Musterfeststellungsklage keine, so betonen die Initiatoren. Denn das Verfahren ist kostenlos für die Verbraucher. Allerdings ist das Urteil im Falle eines negativen Ausgangs für die beteiligten Autokäufer bindend.

Muss man sich jetzt beteiligen oder kann man sich noch anschließen, wenn ein Vergleich beschlossen wird oder das Gericht im Sinne der Kläger entscheidet?

Laut ADAC sollten sich betroffene Autobesitzer zur Sicherheit tatsächlich bis zum 31. Dezember für die Klage anmelden. Vor allem, weil die Ansprüche gegen VW Ende des Jahres verjähren.

So entgehen sie der Verjährungsfalle. Wie ist der zeitliche Ablauf des Verfahrens?

Der Zeitplan sieht wie folgt aus: Am 1. November reichen der vzbv und der ADAC die Klage ein. Mitte November eröffnet das Bundesamt für Justiz dann das Klageregister, in das man sich eintragen kann. Bis Mitte Januar müssen sich mindestens 50 Verbraucher eingetragen haben. Dann beginnt die mündliche Verhandlung. Wie lange sie dauert, hängt vom Gericht ab.

Warum kritisiert etwa die Deutsche Umwelthilfe die Musterfeststellungsklage grundsätzlich als "Sonderweg für Pseudoverbraucherschutz"?

Laut der größten nicht-staatlichen Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation lehrt das neue Instrument der Regierung die Großkonzerne nicht das Fürchten — vielmehr könnten sie sich entspannt zurücklehnen. Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner beurteilt das Verfahren als viel zu kompliziert, weil der Verbraucher seine konkreten Ansprüche letztendlich doch selbst durchsetzen muss. Auch, dass nur bestimmte Verbände dieses Instrument nutzen können, bemängelt er. Aber er sagt auch: "Es ist besser als nichts."

Was ist mit den Klagen von Verbraucher-Inkassounternehmen?

An der Möglichkeit, Verbraucherforderungen an Unternehmen wie myright.de abzutreten, ändert die Musterfeststellungsklage nichts, heißt es von der Stiftung Warentest. Auch hier trägt der Verbraucher kein Kostenrisiko, das Verfahren wird von Prozessfinanzierern bezahlt. Im Falle eines Erfolgs wird allerdings eine Provision für das klagende Unternehmen fällig, der Verbraucher muss einen Teil seiner Entschädigung abgeben.

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