Web Week: "Nähbar"-Chefin fädelt vieles online ein

11.5.2017, 07:09 Uhr
Web Week:

© Foto: Ilona Hörath

Drei weiße Kissenbezüge müssen es sein, zu je 40 mal 40 Zentimeter. Auf den Hüllen sollen Zahlen stehen, wünscht sich die Kundin, die gerade den Laden von Heike Faber betreten hat. Als die Inhaberin der Herzogenauracher "Nähbar" nach den Ziffern fragt, kommt es wie aus der Pistole geschossen: 1-1-0, und bitte schön in Blau – der kleine Sohn der Kundin wünscht sich nichts sehnlicher, als Polizist zu werden. Die Kissen sind für sein "Polizeizimmer". Vor dem Besuch des kleinen Ladens direkt gegenüber der Magdalenenkirche, nur wenige Meter von der Fußgängerzone entfernt, hat sich die junge Mutter online kundig gemacht und vorinformiert. "Doch ich kaufe lieber im Laden, weil man die Stoffe dann anschauen und anfassen kann."

Damit gehört sie zu den sogenannten Cross-Channel-Käufern: Menschen, die sowohl im Laden als auch online shoppen. Die Anzahl der Käufe, bei denen Kunden zuerst auf Homepages oder in Webshops recherchiert haben, um dann in die Läden zu gehen, stieg dabei statistisch leicht von 3,8 (2014) auf 3,9 Prozent (2015) aller Käufe. Zum Vergleich: Die Käufe, bei denen die Verbraucher im Einzelhandel vor Ort erst mal gucken und sich beraten lassen, um dann per Klick zu ordern, machen gerade mal 1,4 Prozent aus. "Der Beratungsklau ist immer höher als gefühlt", sagt Stefan Hertel, Pressesprecher beim Handelsverband Deutschland und ist sich sicher: "Einzelhändler profitieren vom Onlinehandel."

Wie auch immer der Mensch im digitalen Zeitalter shoppen möchte: Heike Faber fühlt sich gerüstet. Die 45-Jährige eröffnete im Herbst 2015 "Die Nähbar". Es sollte nicht nur ein Stoffladen sein, erzählt Faber: "Mir war wichtig, dass Kunden hier auch Zeit verbringen können." Um etwa in der Mittagspause in Strick- oder Näh-Fachzeitschriften zu blättern. Oder sich im integrierten Café über neueste Schnittbögen auszutauschen – inmitten origineller Knöpfe, Bänder, Borten oder modischer Glitzerflicken, mit denen in längst vergangenen Zeiten Löcher in der Jeans kaschiert wurden.

Und natürlich zwischen jeder Menge von Stoffrollen: Stoffe, auf denen goldene Ananas-Früchte aufgedruckt oder in die Wellensittich-Motive gewebt sind. Allesamt hochwertige Materialien, wie Heike Faber erzählt: "Besonderheiten, die nicht jeder hat". Zusätzlich verkauft sie aus Stoff hergestellte Notizbücher oder selbst genähte japanische Knotentaschen.

Dazu bietet sie Nähkurse für Anfänger und Fortgeschrittene an, berät mit Herz und Verstand und modifiziert auch mal einen Schnittbogen. "Wir sind weg von der Schiene, dass man selbst näht, um Geld zu sparen", meint die gelernte Damen- und Maßschneiderin. Darüber hinaus hat sie ein Ingenieursstudium absolviert und war als Schnittdirektrice bei einem Herzogenauracher Sportartikler beschäftigt. Für sich selbst eine Bluse, einen Rock oder das Hängerchen fürs Kleinkind zu nähen, sei längst zum Hobby für viele avanciert. Und "ein Hobby darf Geld kosten", sagt Faber.

Lorbeeren von der IHK

Erst im März kürte die Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken die Geschäftsfrau zum "IHK-Zukunftshändler". So definiert der Verband Händler, die ihren Kunden nicht nur ein Einkaufserlebnis und spezielle Dienstleistungen bieten, sondern auch einem Trend folgen und die Vorteile des stationären Handels eben mit den Möglichkeiten der Digitalisierung kombinieren.

Denn Heike Fabers Einzelhandelskonzept ist klar: Haptik pur im Laden und Digitalisierung dort, wo man die Kunden erreicht. "Schon vor der Geschäftseröffnung hatte ich 100 Likes auf Facebook", freut sich die Unternehmerin. Mittlerweile sind es 310, und via Facebook kündigt sie nicht nur neue Ware an, sondern zeigt auch, was andere Kunden aus den Nähbar-Stoffen gefertigt haben. Als weiteren Kanal hat sie eine "Nähbar-WhatsApp-Gruppe" ins Leben gerufen, um Stammkunden zu informieren — "jeder möchte schnell über einen neuen Knopf oder eine neue Applikation informiert werden". Ein Webshop soll dazukommen.

Die Geschäfte laufen gut, berichtet Heike Faber: "Die Umsätze gehen schön nach oben." Sie weiß aber auch: "Von alleine kommen die Kunden nicht."

Im nächsten Teil unserer Serie stellen wir die Designerin Susanne Spitz aus Erlangen vor.

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