Wozu Europa Champions braucht

11.2.2019, 19:08 Uhr
Wozu Europa Champions braucht

© Foto: Airbus

Der Wind wird rauer. Europa droht in eine Zange zu geraten. US-Präsident Donald Trump verfolgt eine einseitig auf den eigenen Vorteil ausgerichtete Wirtschaftspolitik, sein Handelskonflikt mit China könnte auch Europa hart treffen. Und die Volksrepublik spielt zudem ohnehin nicht nach marktwirtschaftlichen Regeln, Unternehmen erhalten massive staatliche Unterstützung, europäischen Firmen wird der Zugang teils schwer gemacht.

Das ist die Ausgangslage für eine Debatte, die nun an Fahrt gewinnt: Sind mehr "europäische und nationale Champions" notwendig, die es im härter werdenden internationalen Wettbewerb mit den Konkurrenten aus den USA und Asien aufnehmen können? Muss der Staat solche Champions fördern und sich möglicherweise mit Milliarden am Aufbau von Bündnissen beteiligen?

Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist die Sache klar: Europa braucht Großkonzerne, um im internationalen Wettbewerb besser bestehen zu können. Europa und Deutschland müssten mehr tun und eine aktivere Industriepolitik betreiben, heißt es in Altmaiers neuer Industriestrategie.

Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war das jüngste Veto der EU-Kommission gegen die Bahnfusion von Siemens und dem französischen Konkurrenten Alstom. Der Zusammenschluss der beiden Branchenriesen hätte den Wettbewerb in Europa bei Hochgeschwindigkeitszügen und Signaltechnik massiv beeinträchtigt, befand die Behörde.

"Natürliche Tendenz zur Fusion"

Aus Sicht der Wissenschaft sind die beiden europäischen Bahnproduzenten allein aber auf Dauer nicht überlebensfähig. So erklärt Dirk Holtbrügge, Professor für Internationales Management an der Universität Erlangen-Nürnberg: "Die Zugtechnik ist eine globale Branche. Das bedeutet, dass es in jedem Land nur wenige Nachfrager gibt, die Anforderungen an das Produkt weltweit sehr ähnlich sind, die technologischen Bedingungen die Produktgestaltung stark bestimmen und das Geschäftsmodell sehr kapitalintensiv ist." Daraus resultiere eine "quasi natürliche Tendenz zur Unternehmenskonzentration", da sich so erhebliche Kosten sparen lassen.

Zudem seien die Chinesen prinzipiell im Vorteil, da der chinesische Absatzmarkt angesichts der Größe des Landes und des enormen Nachholbedarfs riesig ist. "Dort werden gerade viele Strecken neu errichtet, während es in Europa fast nur noch Ersatzbedarf gibt", sagt Holtbrügge. "Siemens und Alstom sind deshalb alleine auf Dauer nicht wettbewerbsfähig. Ohne Zusammenarbeit würde zudem die Gefahr bestehen, die europäischen Märkte an den chinesischen Konkurrenten CRRC zu verlieren oder sogar langfristig durch diesen übernommen zu werden."

Bundeswirtschaftsminister Altmaier zeigt sich kampfbereit. Bis Mai will er gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire Vorschläge für ein neues EU-Wettbewerbsrecht vorlegen. Doch schon jetzt ist klar: In der Debatte steckt Sprengkraft. Altmaiers großes Vorbild ist Airbus. Vor Jahrzehnten gegründet, ist der europäische Flugzeugbauer heute ein großer Player weltweit. Altmaier will neue Riesen genau nach dem Airbus-Vorbild bauen: einen "Batterie"-Airbus etwa, oder einen Airbus beim autonomen Fahren.

Lange einsam an der Spitze

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sieht das ganz anders. Vor der Gründung von Airbus habe es wenig Wettbewerb im Flugzeugmarkt gegeben, sagte sie vor kurzem: "Das war eine amerikanische Angelegenheit." Der US-Anbieter Boeing war lange Zeit einsam an der Spitze. Der Zusammenschluss kleinerer Akteure in Europa habe daher den Wettbewerb in dem Markt befördert. Bei der Fusion der beiden etablierten Unternehmen Siemens und Alstom wäre aber das Gegenteil der Fall gewesen.

Kann aber ein neues EU-Wettbewerbsrecht die Antwort sein auf die Konkurrenz aus den USA und China? Die geltenden EU-Zusammenschlussregeln haben als oberstes Ziel ein sogenanntes Level-Playing-Field, also Chancengleichheit für Unternehmen.

Fusionen seien grundsätzlich wünschenswert, sie könnten dazu führen, neue Produkte günstiger zu produzieren oder neue Märkte zu erschließen, heißt es bei der EU-Kommission als Hüterin der EU-Verträge mit Blick auf das geltende Wettbewerbsrecht. Aber: "Manche Fusionen können den Wettbewerb in einem Markt reduzieren, indem ein dominanter Akteur geschaffen wird. Dies schadet meist den Verbrauchern durch höhere Preise oder weniger Auswahl." Zulieferbetriebe können zudem in Bedrängnis kommen, wenn sie für ihre Produkte nur noch einen Großabnehmer haben. "Wir haben ein klares wertebasiertes Mandat: sicherzustellen, dass der Markt Verbrauchern und Kunden dient", sagt Europas oberste Wettbewerbshüterin Vestager.

Sie hat sich in der Debatte zu Altmaiers ideologischer Gegenspielerin entwickelt. "Das Wettbewerbsrecht garantiert, dass wir einen fairen Konkurrenzkampf haben", sagt Vestager. "Das hält die Firmen auf Trab. Ein Unternehmen wird nicht im Ausland konkurrenzfähig sein, wenn es daheim keine Konkurrenten hat."

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