Ein Schlafplatz und ein Ort zum Reden

17.12.2012, 10:29 Uhr
Hier wird keiner krumm angeschaut: Die „Hängematte“ bietet Drogensüchtigen einen Platz zum Reden, zum Waschen, zum Schlafen und ein warmes Essen. Für viele eine Oase im rauen Alltag.

© Anestis Aslanidis Hier wird keiner krumm angeschaut: Die „Hängematte“ bietet Drogensüchtigen einen Platz zum Reden, zum Waschen, zum Schlafen und ein warmes Essen. Für viele eine Oase im rauen Alltag.

Oft steht er dort zusammen mit anderen, noch bevor die Einrichtung um 19.30 Uhr ihre Türen öffnet. Die Wartenden verbindet ihr Schicksal – sie alle sind drogenabhängig und obdachlos. Für einen oder auch mehrere Abende und Nächte bietet ihnen die „Hängematte“ ein Dach über dem Kopf und einiges darüber hinaus.

Martin Müller, Praktikant der Notschlafstelle und Anlaufstelle für Drogenabhängige, macht die Tür auf und stellt sich hinter die Theke des großen Aufenthaltsraumes – des „Kontaktcafés“. Er begrüßt freundlich die ersten Besucher und notiert sich auf einem Zettel die Namen derjenigen, die in der „Hängematte“ übernachten wollen. Bereits fünfzehn Minuten nach der Eröffnung stehen schon neun Männernamen drauf. „Zurzeit haben wir sehr viele, die bei uns schlafen wollen“, erläutert Simone Alberti, die die Einrichtung leitet. Insgesamt 14 Männern und 5 Frauen kann die Einrichtung einen Unterschlupf über Nacht gewähren. Dafür stehen den Männern vier Zimmer, den Frauen, räumlich komplett getrennt, zwei Zimmer zur Verfügung.

Die meisten Klienten der „Hängematte“ sind zwischen 30 und 40 Jahre alt und, im Gegensatz zu früher, von mehreren Suchtmitteln gleichzeitig abhängig, stellt Alberti fest: „Den klassischen Junkie, der nur Heroin konsumiert, gibt es heute so gut wie gar nicht mehr. Heroin, Tabletten, Alkohol: In der Szene ist alles erhältlich. Deswegen ist die körperliche Verfassung unserer Klienten oft sehr schlecht. “

Die Besucher haben die Möglichkeit, sich eine Auszeit von dem anstrengenden Leben auf der Straße zu nehmen: sich zu duschen, die Wäsche zu waschen oder auch ein warmes Essen zu bekommen. Denn hungrig bleibt in der „Hängematte“ keiner: An das Kontaktcafé grenzt eine Kleider- und Lebensmittelkammer. Auf den Metallregalen reihen sich dort haltbare Lebensmittel, mit denen sich jeder etwas kochen darf. „Manche machen dann gleich für mehrere Besucher etwas zu essen“, erzählt Alberti. Einmal in der Woche kocht eine ehrenamtliche Mitarbeiterin für alle.

Für manche aber ist ein Gespräch mit einem der „Hängematte“-Mitarbeiter noch wichtiger als alles andere. Die Sozialpädagogin und ihre Kollegen informieren und leisten Krisen- sowie Motivationshilfe: „Wir versuchen, Hoffnung zu geben, da viele sehr frustriert sind.“ Simone Alberti weiß, was ihren Klienten noch guttun würde: „Was ihnen fehlt, ist eine niedrigschwellige Beschäftigung tagsüber.“ Dafür hat die „Hängematte“ im April das Projekt „HomeRun“ gestartet: Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter unternimmt mit Hängematte“-Besuchern sportliche Aktivitäten. Gemeinsam gehen sie schwimmen, Rad fahren, kegeln, spielen Fußball – ein kleines Stück Normalität im Leben Drogenabhängiger.

Die „Hängematte“ hat viel Erfahrung: Seit 25 Jahren gibt es nun schon die Einrichtung. Sie war die erste Notschlafstelle für Drogenabhängige in Bayern. In all den Jahren hat sich die „Hängematte“ immer weiter entwickelt, ihre Angebote erweitert. „Hier habe ich gelernt, dass Sucht ein komplexes Krankheitsbild und kein selbst gewählter Lebensentwurf ist. Keiner der Klienten ist glücklich darüber“, erzählt Simone Alberti.

Auch Alex hadert mit seinem Schicksal: „Ich möchte schon mit Drogen aufhören.“ Eine Entgiftung scheitert bei ihm momentan wegen der fehlenden Krankenversicherung. Für seine Zukunft wünscht er sich „eine Wohnung und eine Familie“. Doch für heute ist er darüber glücklich, dass er einen Schlafplatz in der „Hängematte“ bekommen hat. Für manche ihrer Klienten ist das schon mehr als genug, weiß Simone Alberti: „Die Leute sind einfach froh und dankbar, dass sie nicht auf der Straße schlafen müssen und Ansprache haben.“ Für Alberti sind es eher die kleinen Dinge, die in ihrer Arbeit als Erfolg zählen: „Den Menschen das Gefühl geben, dass sie hier angenommen werden und ihnen einen schönen Abend bereiten, gemeinsam ein Spiel spielen, was viele aus ihrer Familie nicht kennen.“

Der Verein Hängematte freut sich über jede Geld- und Lebensmittelspende. Lebensmittel können in der Imhoffstraße 28 in Nürnberg abgegeben werden, bitte vorher anrufen unter 0911/2876555. Spendenkonto: Hängematte e.V., Sparkasse Nürnberg, Konto-Nr. 1915974, BLZ 76050101.

Mehr zur „Hängematte“ im Internet unter www.haengematte-nuernberg.de.

 

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