Kia EV6: Erster Stromer einer neuen Zeit

30.3.2021, 19:03 Uhr
Kia EV6: Erster Stromer einer neuen Zeit

© Hersteller

Es ist nun nicht so, dass Kia keine elektrischen Modelle vorhalten würde. Neben diversen Plug-in-Hybriden stromern schon jetzt der e-Soul und der e-Niro durch die Modellpalette. Ihnen wird der EV6 nicht den Stecker ziehen. Was ihn aber so spannend und besonders macht: Er ist der erste Kia, der auf der komplett neuen, speziellen Elektroplattform des Unternehmens basiert. E-GMP (Electric-Global Modular Platform) heißt sie und ist skalierbar. Heißt: Da kommt noch mehr – mehr auch als der Hyundai Ioniq 5, mit dem der EV6 eng verwandt ist.

Crossover-Ästhetik

Wir haben den neuen Kia-Elektriker bereits persönlich kennengelernt und können sagen: So, wie er leibhaftig in der Frankfurter Europazentrale dasteht, sieht er viel weniger wie ein Kompakter aus, als es Fotos zunächst vermuten lassen. Tatsächlich folgt der EV6 eher der Ästhetik eines Crossovers, der markentypische "Tigernasen-Grill" wurde zu einem flachen Lufteinlass umgeformt, in die Mitte genommen von den Tagfahrleuchten mit ihrem sequenziellen Lichtmuster. Der Aerodynamik wegen gibt es bündig versenkte Türgriffe, am schrägen Heck fällt das weit in Richtung der Radhäuser herabgezogene Leuchtenband auf, mancher mag das für diskussionswürdig halten.

Lang ist er zudem, der EV6. Auf 4,68 Meter streckt er sich, damit bleibt er nur knapp zehn Zentimeter hinter einem VW Passat zurück. In Relation zu dieser Außenlänge fällt aber auch der Radstand stattlich aus, 2,90 Meter registriert das Maßband, 8,5 Zentimeter mehr mithin, als Kias Top-SUV Sorento aufweist.

Kia EV6: Erster Stromer einer neuen Zeit

© Hersteller

Reichlich Raum wird somit im Passagierbereich geboten, den Kia im Übrigen so modern ausgestaltet hat, wie es sich für ein Fahrzeug gehört, das in die Zukunft weisen soll. Ein ausgesprochen elegantes Teil ist der nahtlose, leicht gewölbte Infotainmentbildschirm, der eigentlich aus zwei 12-Zoll-Displays besteht und, was die Bedienung betrifft, nicht alles ist, denn löblicherweise führen noch etliche Taster direkt zu den wichtigsten Lebensfunktionen. Optional wird es ein Head-up-Display mit Augmented Reality geben.

111 Plastikflaschen aufbereitet

Tierhaut im Auto, davor graut es immer mehr Käufer, in Europa umgibt der EV6 seine Passagiere daher ausschließlich mit veganem Leder. Und mit dem Plastikmüll von 111 Wasserflaschen, nicht aufgetürmt freilich, sondern zu schicken Materialien recycelt.

Was potenzielle Kunden am meisten interessiert, sind die Facts zu Antrieben und Reichweite. Die Kurzform lautet, dass der EV6 mit Heck- und Allradantrieb angeboten wird, ferner in zwei Akkugrößen und verschiedenen Leistungsstufen, (fast) alles miteinander kombinierbar. Ausführlicher aufgedröselt sieht das dann so aus.

● Das Standardmodell bekommt eine 58-kWh-Batterie. Die 2WD-Version arbeitet mit einem 125 kW/170 PS starken Heckmotor. Bei der 4WD-Variante kommt ein Frontmotor hinzu, insgesamt ergeben sich 173 kW/235 PS.

● Die Langstreckenversion verfügt über einen 77,4 kWh-Akku. Das 2WD-Modell leistet hier 168 kW/228 PS, die 4WD-Version mit zwei Motoren kommt auf 239 kW/325 PS.

● Das Topmodell EV6 GT ist ausschließlich mit großem Akku und Allradantrieb zu haben. Front- und Heckmotor addieren sich zu 430 kW/585 PS und einem mächtigen Drehmoment von 740 Newtonmetern.

Kia EV6: Erster Stromer einer neuen Zeit

© Hersteller

Als Reichweitenkönig agiert der EV6 2WD mit 77,4-kWh-Akku, "vollgetankt" soll er nach WLTP-Standard 510 Kilometer weit kommen.

Die sportliche Speerspitze wird dagegen der EV6 GT geben, im Präsentationsvideo reiht er sich zur Startaufstellung zwischen Größen wie Ferrari California, Mercedes-AMG GT und Porsche 911 ein, und natürlich fährt er ihnen hier davon, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h erfolgt in 3,5 Sekunden, als Topspeed versprechen die Koreaner 260 km/h. Allerdings muss solch explosive Leistung in der Währung "Reichweite" bezahlt werden, nach 405 Kilometern sind die elektrischen Reserven aufgebraucht.

Bidirektionales Laden

Womit wir beim Thema Laden angelangt wären: Wechselstrom (AC) zieht der EV6 dreiphasig und bis 11 kW. Turboschnell soll es hingegen an der DC-Schnellladestation abgehen; der EV6 dockt an Säulen mit 800 und 400 Volt an, im Idealfall ist der Akku in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent Ladestand gebracht. Praktisch lässt sich zudem die Vehicle-to-Load-Funktion (V2L) an, die es ermöglicht, den EV6 als Stromlieferant für andere elektrische Verbraucher wie beispielsweise das E-Bike einzusetzen. Auch einem leergefahrenen Elektroauto kann so auf die Sprünge geholfen werden. Und natürlich geht auch Laden während der Fahrt, Rekuperieren also, fünf verschiedene Stufen lassen sich über die Paddles am Lenkrad ansteuern.

Ferngesteuert Parken

Der Ladeanschluss sitzt hinten rechts, wir argwöhnen Rangierarbeiten an der Ladesäule und bekommen die Auskunft, dass der EV6 – Stichwort Remote-Parking – gegen Aufpreis ferngesteuert ein- und ausparken wird. Zu den weiteren elektronischen Beifahrern zählen Ausstiegs- und Stauassistent sowie ein Autobahnassistent mit der Kompetenz zum eigenständigen Fahrspurwechsel.

Kia EV6: Erster Stromer einer neuen Zeit

© Hersteller

Schließlich noch ein Blick in den Kofferraum: 520 bis 1300 Liter bietet er auf, die Ladekabel lassen sich in einem "Frunk" unter der Fronthaube unterbringen, 52 Liter fasst dieses zusätzliche Staufach beim 2WD-Modell, 26 Liter sind es beim 4WD.

Mit der Auslieferung seines neuen Stromers will Kia im Herbst beginnen, der GT folgt ein Jahr später. Online-Reservierungen sind bereits möglich, die Preise beginnen bei 44.990 Euro.

Kein Abschied vom Verbrenner

Bis 2026 plant Kia elf neue batteriebetriebene Fahrzeuge ein, sieben von ihnen basieren auf der E-GMP-Plattform, vier werden Elektroversionen bestehender Modelle sein. Und bis 2030 sollen 40 Prozent des Gesamtabsatzes auf Elektrifiziertes entfallen, Hybride eingeschlossen. Einen Abschied vom Verbrenner haben die Koreaner noch nicht auf der Agenda.

Ulla Ellmer

Kia EV6:

Wann er kommt: Im Herbst 2021. Reservierungen sind bereits möglich, Bestellungen werden ab Mai entgegengenommen.

Wen er ins Visier nimmt: Hyundai Ioniq 5, Skoda Enyaq, VW ID.4, den kommenden Nissan Ariya etc.

Was ihn antreibt: Elektromotoren mit 125 kW/170 PS bis 239 kW/325 PS.

Was er kostet: Ab 44.990 Euro.

Was noch kommt: 2021 das sportliche Topmodell EV6 GT mit 430 kW/585 PS.