Der Atem des Krieges

27.4.2011, 11:00 Uhr
Der Atem des Krieges

© Edgar Pfrogner

Wie, zum Teufel, riecht der Dreißigjährige Krieg? Wer dabei war, schweigt beharrlich. Wer sich einliest, dem könnte was dämmern. Von liebreizenden Düften steht nirgends was geschrieben. In der Luft lag nichts, aber auch gar nichts Gutes. Als Fürth 1634 brannte, blieben drei Häuser stehen.

Gerne, so sprach Martin Schramm bei seinem Amtsantritt als Stadtmuseumschef vor knapp einem Jahr im FN-Interview, sehr gerne würde er Geruchsstationen in die Dauerausstellung integrieren. Ein Museum, das wirklich alle Sinne, zumal die der Kinder, anspreche, das wäre doch was.

Zu sehen gibt es in der Ottostraße reichlich, zu betasten immerhin ein steinernes Relikt aus der Bahnpionier-Zeit. Das Ohr lauscht unter Hörstationen. Die Nase aber ging bislang eigentlich immer nur dem Duft nach, den das Museumscafé verströmte. Im Fall des um Einfälle nicht verlegenen Schramm jedoch hat das Wünschen geholfen, denn gleich zwei Glücksfeen haben sich untergehakt beim Museumschef und Stadtarchivar.

"Spannende Angelegenheit"

Beim Förderverein des Museums warb dessen Leiterin, Stadträtin Maria Ludwig, für das Vorhaben, das geruchs-, aber nicht kostenintensiv sein durfte. Und die neue Kulturreferentin wiederum muss sich gesagt haben, dass man sein Amt besser mal mit Wohltaten antritt. „Eine spannende Angelegenheit“, meint denn auch Elisabeth Reichert beim Ortstermin, bei dem sie selbstredend die Referentinnennase in eine höchst delikate Angelegenheit stecken darf — den Dreißigjährigen Krieg.

Vorläufig fünf Stelen — Kostenrahmen: im vierstelligen, aber nicht atemberaubenden Bereich — bereichern nun die Dauerausstellung des Hauses, fünf Stationen mit pultartig schräg geneigtem Deckel, bequem auch für kleine Museumsbesucher zu erreichen. Der Stele entspringt, sobald man den Deckel hebt, der Duft zum Thema. Olfaktorisches Geleit gibt es zum Krieg, zum Bäcker- und Brauhandwerk, zur Eisenbahngeschichte und zum „grünen Fürth“ aus Wiesengrund und Stadtpark.

Londoner Vorbild

Die Studienzeit in London hatte Schramm inspiriert. Dort traf er erstmals auf Geruchsstationen in Museen und war begeistert. Lang war die Vorlaufzeit zu den Fürther Riechsäulen. „Wir standen“, so Schramm, „vor der Frage, wo wir die Gerüche überhaupt herbekommen.“ In Deutschland gibt es kaum eine Handvoll Museen, die ihren Besuchern auch in die Nase steigen. Das Badekultur-Museum in Zülpich tut’s, das Kneipp-Museum in Bad Wörishofen auch. Aber sonst? Riechendes Badezeug ist kein Kunststück. Aber der Dreißigjährige Krieg?

Das Londoner Kriegsmuseum, an das sich Schramm hilfesuchend wand, empfahl eine englische Firma, Spezialist für Raumbeduftung. Knapp 100 Mixturen haben sie dort in petto, Schramm frohlockte. Nun hatte er sogar die Wahl, ob die Eisenbahn nach Diesel oder Ruß riechen sollte. Damit übrigens der Duft anhält und nicht verduftet, muss der Duftklotz, der, für Besucheraugen unsichtbar, in der Stele ruht, im Zwei- bis Drei-Monats-Takt mit der gewünschten Flüssigkeit getränkt werden. Nur fürs grüne Fürth hat Schramm die herkömmliche Duftöl-Technik gewählt. Wer keinen Garten hat, kann sich ab sofort im Stadtmuseum zwischen den steinernen Stadtpark-Löwen einem Zitronenmelisse-Sinnestraum hingeben. Oder beschließen, niemals einen Garten anzuschaffen.

Intensiv, aber nicht erschlagend ist der Geruch aller fünf Stationen, die zudem weit genug auseinander stehen, um Kopfschmerz-Gefahr im Keim zu bannen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt der Museumsleiter auch in Hinblick auf die optische Gestaltung, für die, wie schon im Fall der Dauerausstellung, Innenarchitekt Alexander Kubatzky aus Nürnberg verantwortlich zeichnet. 20 Düfte haben Schramm und sein Team ausprobiert. „Furt“ war auch darunter, das hätte zu „Fürth“ gepasst, roch aber zum Davonrennen. Nun bleibt abzuwarten, wie die Besucher reagieren; Anregungen, welche Fürth-typischen Düfte die Ausstellung erweitern könnten, sind allzeit erwünscht. Kärwa und Erhards Zigarre zum Beispiel — und noch manches.

Aber wie riecht denn nun der Dreißigjährige Krieg? Das kann man nicht beschreiben.