Dieser Fürther leitet das einzige Flamenco-Museum der Welt

Arno Stoffels

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9.10.2020, 06:00 Uhr
Dieser Fürther leitet das einzige Flamenco-Museum der Welt

© Foto: Arno Stoffels

Bei offiziellen Anlässen hält sich Kurt Grötsch gerne zurück. Was ihm nach eigenen Angaben nicht schwer fällt. Er sei ja Franke, sagt er. Doch im Rathaus von Sevilla konnte sich der 66-Jährige jetzt schlecht hinter seiner Bescheidenheit verstecken.

Schließlich stand der gebürtige Fürther dort zwangsläufig im Mittelpunkt, als ihm vom deutschen Konsul in Andalusien, Arnulf Braun, und Bürgermeister Juan Espadas das Bundesverdienstkreuz überreicht wurde. Als Anerkennung für sein Engagement in Sachen Kulturvermittlung, was sich zunächst nicht besonders spektakulär anhören mag.

Dass ein Deutscher im Ausland erfolgreich einen Kunstbetrieb leitet, ist schließlich nichts Besonderes mehr. Den weltberühmten Uffizien in Florenz steht der Freiburger Eike Schmidt vor, dem archäologischen Park von Paestum Gabriel Zuchtriegel aus Baden-Württemberg. Aber ein Fürther, der in Andalusien ein weltweit einzigartiges Flamenco-Museum mitbegründet, das längst ein Aushängeschild für ganz Spanien ist und seit der Eröffnung 2006 leitet, fällt dann doch etwas aus dem Rahmen.

Dieser Fürther leitet das einzige Flamenco-Museum der Welt

© Foto: Museo del Flamenco

Was dann aber wiederum auch zu seinem Lebenslauf passt. Vor über drei Jahrzehnten war Grötsch noch Dozent für Hispanistik an der Universität in Erlangen. Aber irgendetwas fehlte ihm damals in seinem Leben, in Deutschland. Mit dem Flamenco hat er, abseits der akademischen Inhalte im eigenen Lehrprogramm, in den 1980er Jahren nicht viel zu tun. Bis er eines Abends biertrinkend in der Nürnberger Kinokneipe "Meisengeige" den Film "Carmen" von Carlos Saura sieht. Eine Freundin rät Kurt oder "Kille", wie sie ihn damals im Bekanntenkreis alle nennen, nicht nur Laura del Sol als attraktive Carmen-Darstellerin zu bestaunen. "Die andere tanzt doch viel besser, hat sie zu mir gesagt." Diese andere ist Cristina Hoyos, damals schon ein Flamenco-Superstar und eine Person, die das Leben des Fürthers Grötsch noch nachhaltig beeinflussen wird.

1987 macht er sich schließlich auf den Weg, verlässt als "klassischer Kulturflüchtling" Franken. Über Kuba geht es nach Spanien, erst in den Norden, dann nach Madrid. "Ich wollte eigentlich immer in Spanien leben", sagt er. In der Hauptstadt besucht er noch einmal die Uni, macht einen Abschluss in praxisorientierter Betriebswirtschaft und bleibt "im Kulturbereich hängen". Er übernimmt die Leitung der Kultur- und Sprachschule "Tandem", arbeitet unter anderem an der Weltausstellung in Sevilla 1992 mit.

Und der Flamenco? In der Nähe seiner Wohnung in Madrid ist eine Kneipe, in der gesungen, getanzt, Gitarre gespielt wird. "Das hat mich infiziert und nicht mehr losgelassen". Der Rest ist, wie so oft im Leben, Zufall. Grötsch lernt die Nichte der heute 74-jährigen Cristina Hoyos kennen und lieben. Schließlich entsteht gemeinsam die Idee, dem Flamenco in Sevilla ein eigenfinanziertes Museum zu widmen, fernab von Spektakel und purem Folklore-Kommerz.

Teil der kulturellen Identität

"In Andalusien wird der Flamenco als Teil der kulturellen Identität betrachtet", sagt Grötsch. "Aber es ist wie so oft: Was die Leute direkt vor der Nase haben, nehmen sie nicht mehr richtig war." Vier Jahre dauern die Vorplanungen, die Konzeption und die Renovierung des Gebäudes im Viertel Santa Cruz, in dem Cristina Hoyos aufgewachsen ist. 5,5 Millionen Euro werden investiert. Geld, für das Hoyos mit ihrem Privatvermögen bürgt. 2006 wird das "Museo del Baile Flamenco" eröffnet – und schnell politisiert. Die konservative Rechte blickte abfällig auf die links-orientierte Hoyos, die aus armen südspanischen Verhältnissen stammt. Und dass ein Deutscher da plötzlich den Flamenco erklärt, wurde vielfach auch nicht gerne gesehen. "Das war schon knackig", sagt Grötsch.

Längst aber sei er "sehr gut eingebunden". Alte Kontakte pflegt er aber selbstverständlich, besucht seine alte Heimatstadt und verfolgt das fränkische Fußballgeschehen – wenn auch nicht so leidenschaftlich wie den Flamenco und das von ihm maßgeblich konzipierte Museum.

Dort zählte man in der Zeit vor Corona und der vorübergehenden Schließung 180 000 Besucher pro Jahr. Ob er selber Flamenco tanzt? Nein, seine Begabungen lägen eindeutig woanders. Aber die Faszination beim Zuschauen teilt auch er als Fachmann nach mehreren unzähligen selber erlebten Aufführungen noch immer. "Keine ist wie die andere", sagt er.

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