Hintergrund über Handelsbeziehungen

Ukraine-Krieg: Diese fränkische Firma stellt Russland-Export ein

25.2.2022, 14:09 Uhr
Nach Einschätzung der EU-Kommission ist die Gasversorgung trotz des eskalierenden Konflikts mit Russland vorerst sicher. Wegen der angekündigten Sanktionen werden Folgen für die Wirtschaft erwartet, die sich auch in Oberfranken auswirken werden.

© Dmitry Lovetsky, dpa Nach Einschätzung der EU-Kommission ist die Gasversorgung trotz des eskalierenden Konflikts mit Russland vorerst sicher. Wegen der angekündigten Sanktionen werden Folgen für die Wirtschaft erwartet, die sich auch in Oberfranken auswirken werden.

"Auch als Vertreter der Wirtschaft bin ich durch den Ausbruch eines offenen Krieges in Europa schockiert. Putin zeigt, dass ihm das Völkerrecht völlig egal ist", teilt Michael Waasner in einer Pressemitteilung mit, Vizepräsident der IHK für Oberfranken Bayreuth, Vorsitzender des IHK-Gremiums Forchheim und Geschäftsführer Gebr. Waasner Elektrotechnische Fabrik GmbH in Forchheim.

"Alle werden von den Folgen der unausweichlichen Sanktionen betroffen sein", ist sich Waasner sicher. So würde mit einem weiteren starken Anstieg von Energiepreisen gerechnet, insbesondere beim Gas und bei Erdölprodukten. Ein Krieg in Europa bewirke eine starke Verunsicherung der Marktteilnehmer auf den Absatzmärkten und vermutlich auch der Verbraucher.

Appell: Die Sanktionslisten strikt befolgen - Forchheimer Firma hat Export mit Russland eingestellt

"Bis gestern waren unsere Lieferungen in die Ukraine zu einem Zweigwerk eines deutschen Kunden noch möglich. Wir beobachten die Situation stetig." Die Büros der Auslandshandelskammern (AHK) in Kiew, in Moskau und in St. Petersburg seien zwar aktuell unbesetzt, aber voll arbeitsfähig. Beide arbeiteten aktuell nach dem 24/7-Prinzip, seien also Tag und Nacht per Telefon oder E-Mail erreichbar.

"Aktuell ist es für jeden Exporteur in der regionalen Wirtschaft von essentieller Bedeutung die aktualisierten Sanktionslisten strikt zu befolgen. Da darf nichts durchrutschen", betont er. Waasner hat das Exportgeschäft mit Russland eingestellt. "Waasner hat in der Vergangenheit größere Mengen von Elektroband aus Russland bezogen. Nachdem sich aber dieser Konflikt schon abgezeichnet hat, haben wir für russische Lieferanten Alternativen aufgebaut. Wir werden in der aktuell unklaren Lage unseren Bezug russischer Güter einstellen."

"Wir müssen vom russischen Gas unabhängiger werden"

Die Sanktionen würden Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft haben. "Wir haben stark international tätige Unternehmen, die sicher die Einschränkungen spüren werden. Im Absatz wie auch im Bezug von Gütern, bei der Energie auf jeden Fall." Es sei mit deutlich steigenden Kosten wie auch Umsatzausfällen zu rechnen. Er sieht auch wirtschaftspolitische Konsequenzen, die gezogen werden müssten. "Wir müssen vom russischen Gas unabhängiger werden. Neue Geschäftsbeziehungen mit russischen Geschäftspartnern kommen für mich persönlich erst mal nicht in Frage."

Da die Marktpreise für fossile Energieträger schon stark gestiegen seien, müssten weitere klimapolitisch motivierte Verteuerungen ausgesetzt werden, um Firmen nicht die Existenzgrundlage zu entziehen. "Manche Industriezweige wie die Glasindustrie im Frankenwald sind jetzt schon wegen der im internationalen Vergleich extrem hohen Energiepreise in ihrer Existenz bedroht. Jetzt ist eine konzertierte Aktion nötig, klimafreundliche Alternativen so schnell wie möglich auszubauen."

Oberfranken: Analyse der bisherigen Handelsbeziehungen zu Ukraine und Russland

Bei der IHK für Oberfranken Bayreuth sind gut 200 Unternehmen registriert, die Handelsbeziehungen mit Russland haben. Wirft man einen Blick auf die bayerische Exportstatistik, findet man Russland auf Platz 17 (Deutschland: Rang 14); die Exporte liegen mit 3,1 Milliarden Euro ungefähr auf dem Niveau von 2010. Nach Russland wird ähnlich viel exportiert wie nach Schweden oder Rumänien. 1,9 Prozent der deutschen Exporte gehen nach Russland, 2,8 Prozent kommen von dort.

Knapp die Hälfte der ursprünglich rund 6300 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung haben sich seit 2011 aus dem russischen Markt zurückgezogen. Nach Angaben der AHK Russland sind aktuell noch 3651 deutsche Unternehmen mit über 277.000 Mitarbeitern vor Ort.
Die deutschen Direktinvestitionen in Russland beliefen sich laut Bundesbank 2019 auf 24,6 Milliarden Euro, 2014 lagen sie bei 16,6 Milliarden Euro. Russische Direktinvestitionen in Deutschland beliefen sich 2019 auf 3,6 Milliarden Euro (2014 ebenfalls 3,6 Milliarden Euro).

Mit der Ukraine haben gut 100 Unternehmen aus dem Einzugsgebiet der IHK Handelsbeziehungen. Bei den bayerischen Exporten liegt die Ukraine auf Rang 39 und damit in etwa auf dem Niveau von Südafrika oder Griechenland. Über die vergangenen Jahre ist das Land dabei immer wichtiger als Absatzmarkt geworden. Die bayerische Wirtschaft exportiert rund 50 Prozent mehr als noch 2010 in das Land.

Export und Import: Welche Branchen betroffen sind

In die Ukraine exportieren die oberfränkischen Unternehmen vor allem Maschinen und Textilien, nach Russland auch Kfz-Teile. In beide Länder werden außerdem zum Beispiel Werkzeuge, Holz und Baustoffe, Kunststoffwaren, Textilprodukte sowie Produkte aus Leicht- und Stahlmetallbau exportiert.

Der Import von russischen Produkten nach Bayern hatte 2011 seinen Höhepunkt. Damals wurden Waren im Wert von 8,4 Milliarden Euro importiert. Die Importe sanken 2020 pandemiebedingt auf 3,5 Milliarden, 2011 lagen sie bei 6,3 Milliarden Euro. Was wird aus beiden Ländern importiert? Die Ukraine liefert Kfz-Teile, Bekleidung und Möbel nach Deutschland. Aus Russland wird in erster Linie Erdgas bezogen. Das Land deckt etwa die Hälfte des deutschen und des europäischen Gasbedarfes ab. Welche Sanktionen betreffen die Ukraine? Die aktuelle Sanktionsliste ist der Homepage des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zu entnehmen: https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/Russland_Ukraine/russland_ukraine_node.html. Das BAFA hat auch eine Hotline: 06196 908-1237.

Wenn Russland aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen werden sollte (IBAN mit BIC), wären Überweisungen von und nach Russland wesentlich komplexer und zeitraubender. Die Bezahlung von Gütern würde so extrem erschwert werden, auch zum Beispiel die Bezahlung von russischem Erdgas.

An wen können sich Unternehmen wenden, die in der Ukraine oder in Russland tätig sind? Die Büros der AHKs in Kiew, in Moskau und in St. Petersburg sind zwar aktuell nicht besetzt, aber sind aktuell Tag und Nacht per Telefon oder E-Mail erreichbar. Weitere Infos: AHK Russland: https://russland.ahk.de/, AHK Ukraine: https://ukraine.ahk.de/ oder IHK für Oberfranken Bayreuth: www.bayreuth.ihk.de.

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