Fürth vor 200 Jahren: Bürger gehen auf Zeitreise

19.11.2018, 15:42 Uhr
Viel Fingerspitzengefühl benötigt Stefania Küble beim Flechten.

© Fotos: Hans Winckler Viel Fingerspitzengefühl benötigt Stefania Küble beim Flechten.

Franz Joseph von Baeumen versteht seine Welt nicht mehr. Laut ist sie geworden und hektisch, fremde Sprachen hört er, die Fahrzeuge brausen in unglaublicher Geschwindigkeit an ihm vorbei, und auch die Gerüche haben sich verändert. Der Bahnhof ist an einen neuen Ort gezogen und die Züge, die dort fahren, stoßen keinen Qualm mehr aus. Aber immerhin sind auch 200 Jahre vergangen, seit Baeumen erster Fürther Bürgermeister war. Kein Wunder, dass er sich nun verwundert die Augen reibt.

Über sein Leben als Fürther Bürgermeister sprach Klaus Hofmann, alias Franz Joseph von Baeumen.

Über sein Leben als Fürther Bürgermeister sprach Klaus Hofmann, alias Franz Joseph von Baeumen. © Hans Winckler

Herausgeputzt im Ornat der damaligen Zeit steht Klaus Hofmann, Chef der Fürther Bühne Erholung 27, vor dem Publikum und mimt das Stadtoberhaupt von einst. Baeumen hat viel zu erzählen. Vom Rathaus, dessen Bau 1840 — nach 17 Jahren Planung — beginnt. Von der ersten Dampfmaschine, mit der 1844 die Industrialisierung begann. Und natürlich vom "Adler", dem umstrittenen Bahnprojekt, dessen Jungfernfahrt 1835 von Nürnberg nach Fürth führte.

Noch größeren Ärger als mit dem Bau der Bahnstrecke handelte sich Baeumen aber mit der Vorverlegung der Sperrzeit auf 23 Uhr ein. Tumulte erschütterten damals Fürth, das Militär musste anrücken, um die erbosten Bürger zu beruhigen. "Wenn man an der Sperrzeit herumbastelt, erntet man nur Ärger und Verdruss", so Baeumens Fazit, mit dem sich der Kreis zur heutigen Zeit schließt — und das für einige Lacher im Publikum sorgt.

Heitere Jonglage

Heiter geht es auch nach Baeumens Auftritt weiter. Das Zepter übernimmt dann Gaukler Marc Vogel, um zu den verschiedenen Handwerker-Stationen im Museum zu führen und zwischendurch einen kurzen Abriss Fürther Geschichte zu präsentieren. Drei Jonglierbälle stehen stellvertretend für die Dompropstei Bamberg, das Markgrafentum Brandenburg-Ansbach sowie die Reichsstadt Nürnberg, die alle über die Kleeblattstadt herrschten, bevor diese 1806 an das Königreich Bayern fiel.

Dass es anstrengend ist, will man feinstes Blattgold herstellen, merkt das Mädchen, das beherzt zum schweren Hammer greift.

Dass es anstrengend ist, will man feinstes Blattgold herstellen, merkt das Mädchen, das beherzt zum schweren Hammer greift.

Schnell wirbeln die Bälle durch die Luft und erheitern vor allem die jungen Zuschauer. Darunter ist auch Jonathan (3), der mit seinen Großeltern Jutta und Christoph Eder gekommen ist. Interessiert verfolgt der Bub die Führung — man merkt ihm an, dass er beinahe schon ein Museums-Profi ist. "Wir nehmen ihn öfter mit, wenn es bestimmte Kinderaktionen gibt", sagt seine Oma, die vom Stadtmuseum sehr angetan ist.

Die Führung zieht von einer Handwerker-Station zur nächsten. Gerlinde Kurmann etwa sitzt hinter ihrem Ashford-Spinnrad und spinnt einen dünnen Faden aus Alpaka. Sie berichtet, welche zeitraubende Vorarbeit nötig ist, bis aus dem Stück schmutziger und fettiger Wolle ein brauchbarere Faden geworden ist. Das entstandene Garn lässt sie dann färben und strickt daraus Tücher oder Schals für den Eigengebrauch. "Würde ich die Teile verkaufen, wären sie unbezahlbar", erklärt die passionierte Strickerin den enormen Aufwand ihrer Tätigkeit.

Auch bei der Goldschlägerin dauert es einige Zeit, bis aus dem kleinen Goldbarren feinstes Blattgold geworden ist. Über 5000 Hammerschläge auf den Klotz aus Jura-Kalksandstein sind nötig, bis das Edelmetall so dünn geworden ist, dass man damit Kindernasen vergolden oder Goldstaub auf den Cappuccino streuen kann.

Ein paar Meter weiter berichtet Stefania Küble von ihrem Beruf als Flechterin, der heute selten geworden ist, während früher Männer und Frauen gleichermaßen damit ihr Geld verdient haben.

Aber selbst der Schusterberuf ist ein Auslaufmodell. Einer der letzten Fürther, die auch heute noch Schuhe fertigen können, ist Karlheinz Thanner. In vierter Generation führt er inzwischen das Handwerk weiter. Besonders stolz ist er auf das Gesellenstück seines Großvaters: 100 Jahre haben die schwarz glänzenden Schuhe auf dem Buckel. Damit sind sie immerhin halb so alt wie Fürth als Stadt Erster Klasse.

 

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