Soll in Zukunft jeder Organspender werden?
8.4.2019, 21:00 UhrDie Zahl der Organspenden soll steigen. Aber wie? Im Bundestag haben sich inzwischen zwei fraktionsübergreifende Lager gebildet, die gegensätzliche Pläne für eine Gesetzesänderung favorisieren. Der Hintergrund: In diesem Moment warten in Deutschland rund 9400 Menschen auf die Transplantation eines Organs. Täglich sterben drei Schwerkranke, weil es nicht genug Spender gibt. Das sind Zahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation, die alle Schritte bis zur Transplantation koordiniert.
Bisher gilt die sogenannte Entscheidungsregelung, bei der man sich freiwillig mit dem Thema beschäftigt und sich, wenn man möchte, für oder gegen die Spende ausspricht. Dokumentiert wird dieser Schritt in einem Ausweis, den man beantragen kann. Was man wissen sollte: Die Voraussetzungen für eine Spende sind äußerst selten erfüllt. Es muss der Hirntod eintreten, während der Mensch auf der Intensivstation liegt, das Herz weiter schlägt und die Atmung künstlich aufrechterhalten wird.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist nun mit der Idee vorgeprescht, dass jeder in Zukunft zunächst automatisch als potenzieller Organspender gilt. Wer das ablehnt, muss dem ausdrücklich widersprechen. Kritiker nennen das "übergriffig". Daneben gibt es eine zweite Gruppe im Parlament, die dafür plädiert, alle Bürger regelmäßig persönlich zum Thema zu befragen. Die jederzeit veränderbare Antwort soll in einem Online-Register festgehalten werden.
"Ich finde den Vorschlag von Jens Spahn vernünftig", sagt Markus Gegner den FN. Der 49-Jährige betont: "Es ist wichtig und richtig, dass man sich mit dieser sicherlich unangenehmen Frage rechtzeitig auseinandersetzt und sich darum kümmert, dass die eigene Entscheidung im Ernstfall umgesetzt werden kann." Er selbst hat sich seine Gedanken gemacht: "Ich hätte mir einen Organspenderausweis besorgt, aber es war nicht möglich, weil ich seit 2001 weiß, dass ich an Multipler Sklerose erkrankt bin."
Ein grundsätzliches Ja kommt auch von Frank Dolde (40): "Wenn jemand auf ein Ersatzorgan angewiesen ist, dann ist es natürlich schlimm, wenn es keines für ihn gibt." Ehefrau Franziska Hacke (39) – die beiden sind seit zwei Monaten Eltern einer Tochter – macht klar: "Ich habe seit gut zehn Jahren den entsprechenden Ausweis, genau wie den für die Blutspende." Ihre Argumentation ist schlüssig: "Wenn es mit mir vorüber ist und jemand anderem kann dann noch geholfen werden, sehe ich keinen Grund, das nicht zu tun." Selbstverständlich sei dies kein Thema, über das man gerne nachdenkt. Ihr Rezept für den Weg zum Spenderausweis heißt deshalb: "Nicht lange grübeln, sondern machen."
Eltern machen sich Gedanken
Auch Peter (69) und Brigitte (68) Beck haben schon über die Gesetzesänderung gesprochen und sich eine Meinung gebildet: "Die angedachte Widerspruchslösung von Jens Spahn finden wir gut, in unseren Augen ist das der einzig vernünftige Ausweg." Sie sind sich sicher: "Das wird sich wahrscheinlich durchsetzen, so wie es schon in unseren Nachbarländern Frankreich oder Österreich geschehen ist."
"Ich habe den Ausweis seit fünf Jahren", sagt Laura Gottschlich. Die 26-Jährige erinnert sich: "Zu diesem Zeitpunkt kam meine Tochter auf die Welt. Wenn man Eltern wird, macht man sich natürlich so seine Gedanken und fragt sich, was wäre wenn."
Laura Gottschlich ließ den Überlegungen Taten folgen. Nein sagt sie allerdings zu Jens Spahns Idee, dass jeder generell zum möglichen Spender wird, es sei denn, er bekundet das Gegenteil. "Das finde ich schlecht, weil es wesentlich besser ist, wenn man sich aktiv dafür entscheidet, seine Organe nach dem Tod zu spenden." Es wäre in ihren Augen gut, wenn noch mehr Aufklärungsarbeit betrieben werde, damit "sich jeder bewusst mit diesem Problem auseinandersetzt".
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