Klosterfrühling: Im Bann der Musica Nova

Hans von Draminski

Springer-Redaktion

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27.5.2019, 15:38 Uhr
Klosterfrühling: Im Bann der Musica Nova

Gisela Anneser und Hildrun Wunsch nennen sich "pure malt duo", kurz "pm2", und haben sich auf Musica Nova und anderen zeitgenössischen Musikstoff kapriziert. Sogar eine Uraufführung ist dabei: Der aus Potsdam stammende und in Mittelfranken lebende Komponist Christian Glowatzki hat für den Klostersommer ein Auftragswerk geschaffen und zwei seiner religiös gefärbten Kunstlieder – "Lava-Land" sowie "Vergehen und Werden" zu Flöten-Dialogen transformiert.

Der Tonsetzer erklärt in Münchaurach vorab, dass er nach Verschmelzungsmöglichkeiten von tonalem und atonalem Material sucht. Und wirklich sind die beiden Stücke, die von den Flötistinnen sehr souverän und mit augenzwinkernder Virtuosität über die Rampe gebracht werden, postmoderne Klitterungen von im Grundsatz bekannten Versatzstücken. Da steht die paraphrasierte Barock-Kantilene neben dem Makrocluster, das Geräusch neben der Harmonie. Und bei allem gewollten Kontrast ist das Endergebnis doch homogen, rund, in sich stimmig – und lebt von stillen Lyrismen, die sich fast wie nebenbei in die Gehirnwindungen schleichen.

Dass die Neue Musik bisweilen so neu gar nicht (mehr) ist, zeigen Anneser und Wunsch mit der Miniatur "ruhig" von Hermann Seidl (Jahrgang 1958), in der die (tonalen) Vorbilder des ausgehenden 20 Jahrhunderts unüberhörbar sind – der Neoklassizismus lässt grüßen.

Viel experimenteller die "Arrangements" des polnischen Avantgardisten Kazimierz Serocki (1922 – 1981): Ganz kurze, knackige Miniaturen, zum Teil keine Minute lang, in denen exotische Tonerzeugungsmethoden und polyrhythmische Strukturen dafür sorgen, dass das Un-Erhörte lebendig wird. Hildrun Wunsch zeigt Serockis zugehörige grafische Notation, die zum Teil selbst den Musikerinnen und Musikern im Publikum auf den ersten Blick Rätsel aufgibt. Dem Damenduo ist freilich anzumerken, dass Werke Neuer Musik hier zum täglichen Pensum gehören.

So werden selbst aus dem Sperrigen, Uneingängigen noch Funken geschlagen und die innewohnende Ironie freigelegt, auf dass der Konzertabend nicht völlig bierernst über die Bühne gehen möge.

Eher blass bleibt dagegen die Deutung von Georg Philipp Telemanns (1681 – 1767) g-Moll-Sonate Opus 2. Telemanns an sich sorgsam inszenierte Emotionssprache wird zu sehr versachlicht, ist zu nahe an der bloßen Noten-Exekution.

Federnd, alert und sehr jazzig gelingt dafür das 1995 geschreibene "Pendulum" von Pete Rose (geboren 1942). Um einen swingenden Generalbass werden synkopierte Melodielinien gewoben und die Blockflöte klingt, als wäre sie für genau solche Musik konstruiert worden. Vom vorhersehbaren Groove zum Balkan-Feuerwerk mit Überraschungspotenzial:

Das von "pm2" selbst eingerichtete bulgarische Traditional "Raschenitza" ist eine artifiziell überhöhte Tanzweise, schnell und in die Beine gehend. Zu toppen nur noch von "The lumech funk estampie", einer hinreißenden Black-Music-Satire des holländischen Flötisten Paul Leenhouts. Einfach witzig.

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