Katzenstreu und Medizin: Womit unsere Kläranlagen kämpfen

Martin Müller

Redaktion Metropolregion Nürnberg und Bayern

E-Mail

19.11.2018, 06:00 Uhr
Sie stinken, sind aber ungemein wichtig: Viele Kläranlagen in der Region haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

© Alexander Hitschfel Sie stinken, sind aber ungemein wichtig: Viele Kläranlagen in der Region haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.

Die Misere begann vor einigen Jahren, als sich auf einmal immer mehr Deutsche dafür entschieden, statt des üblichen Toilettenpapiers, das es ja ohnehin schon in zwei-, vier- oder fünflagigen Varianten gibt, mit kratzigem Recyclingpapier oder mit samtweicher Oberfläche, Feuchttücher aus Vlies zu verwenden. Eine fatale Entscheidung, die mächtig ins Geld geht. Nicht nur, weil die Tücher teurer sind als herkömmliches Klopapier, sondern auch, weil so die Abwassergebühren steigen.

"Die Tücher kriegen wir mit noch so viel Energie nicht klein, die ärgern uns maßlos", sagt Burkard Hagspiel, Werkleiter des Nürnberger Klärwerks, dem es ein echtes Bedürfnis ist, auf diese ungewünschten Lieferungen, die die Anlage täglich tausendfach erreichen, hinzuweisen.

Die Tücher verbinden sich zu langen Strängen, wickeln sich in die Pumpen und bringen diese zum Stillstand. "Wir verbringen Hunderte Stunden im Jahr damit, Pumpen und Motoren wegen dieser Tücher zu zerlegen", erzählt Hagspiel. Arbeit, die letztlich natürlich auch viel Geld kostet.

Katzenstreu und Medizin: Womit unsere Kläranlagen kämpfen

© Redaktionsservice

Um das Problem in den Griff zu bekommen, wird nun bis April die Rechenanlage erneuert. Die Abfolge eines Grobrechens mit einem Feinrechen soll dafür sorgen, dass weniger Feuchttücher ins System gelangen.

Weniger Geruchsbelastung

In Fürth geht 2019 eine neue mechanische Reinigungsstufe in Betrieb, mit der auch Wattestäbchen zuverlässig herausgefiltert werden können. Künftig sind auch die Vorklärbecken abgedeckt, die Luft wird abgesaugt. Damit sollte die Geruchsbelästigung weiter nachlassen.

Ein weiteres Ärgernis: Katzenstreu. "Tausende Tonnen landen davon jedes Jahr in der Kanalisation", sagt Hagspiel. "Ich kann nicht verstehen, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, so etwas ins Klo zu schütten. Da hätte ich ja Angst, dass meine Toilette verstopft." Das meiste davon bleibt letztendlich im Sandfang der Kläranlage hängen und landet im Straßenbau.

Große Sorgen bereiten Hagspiel auch die Medikamente, die in der Toilette heruntergespült werden. "Vor allem alles, was flüssig ist, landet im Klo. Da sind teilweise sehr bedenkliche Stoffe dabei. Dadurch können Multiresistenzen entstehen. Wenn Antibiotika hier eintreffen, kann auch die Biologie unserer Kläranlage beeinflusst werden", meint Hagspiel.

Eine vierte Reinigungsstufe könnte in einigen Jahren die meisten dieser Medikamente für viel zusätzliches Geld herausfiltern. Einfacher und billiger wäre es aber letztlich für jeden Besitzer einer Toilette, wenn er diese nur für ihren eigentlichen Zweck benutzen würde.

Hohe Zulagen

Elf sogenannte "Starkverschmutzer" gibt es noch in Nürnberg. Bei deren Abwasser werden bestimmte Belastungswerte überschritten, weshalb sie hohe Zulagen zahlen müssen. 1,2 Millionen Euro nahm die Nürnberger Stadtentwässerung dadurch 2017 ein. Um diese zu verhindern oder zu begrenzen, behandeln mittlerweile praktisch alle in Frage kommenden Betriebe ihr Abwasser vor."Sie bauen immer eine Neutralisation ein, damit der pH-Wert stimmt. In schwierigeren Fällen gibt es auch eine Fällung, da wird dann zum Beispiel ein Pulver hinzugegeben, um Phosphor herauszubringen", erklärt Hagspiel.

Zu den Starkverschmutzern zählt zum Beispiel der Nürnberger Flughafen. "Wir bekommen eine große Fracht durch das Sprühmittel für die Flugzeugenteisung", verdeutlicht Hagspiel. Zu den Starkverschmutzern gehören auch die Deutschen Hefewerke und etliche weitere Betriebe aus der Lebensmittelbranche, etwa aus der Wurst-, Fleisch- und Lebkuchen-, bis vor kurzem auch aus der Eisproduktion.

14 Kommentare