15. März 1962: „Das Großstadion paßt in die Kongreßhalle“

15.3.2012, 09:30 Uhr
15. März 1962: „Das Großstadion paßt in die Kongreßhalle“

© Gerardi

Der Traum vieler Nürnberger Sportfreunde von einem Großstadion im Kongreßhallen-Torso kann wahr werden.

Dies bestätigte Professor Werner March, der Erbauer des Berliner Olympia-Stadions, dem Stadtrat in einem fünfseitigen Gutachten. Bei seinen Arbeiten an diesem Projekt, über das seit Jahren schon gesprochen wird und das im Siegesrausch um die achte Meisterschaft des 1. FCN neuen Auftrieb erhalten hat, gelangte der renommierte Architekt zu der Ansicht, die Nürnbergs Hoffnungen auf eine international beachtenswerte Sportstätte unterstreicht.

Der Stadtrat erteilte daher auch March gestern neuerdings den Auftrag, die Pläne für ein Großstadion weiter zu verfolgen. Eine Entscheidung, ob es gebaut werden wird oder nicht, ist freilich damit noch nicht gefallen. Sie wird von den Kosten abhängen, die – „über den Daumen gepeilt“ – zwischen 20 und 30 Millionen Mark liegen werden; der Abbruch des kolossalen Erbstücks aus dem Dritten Reich würde allein 12 Millionen Mark verschlingen.

Der Berliner Professor, den der Deutsche Fußball-Bund als Stadion-Experten empfohlen hatte, kam in seinem Gutachten in manchen Punkten zu anderen Schlüssen als die Nürnberger Bauverwaltung in ihrem Vorprojekt, das nach der Club-Meisterschaft als „Schnellschuß“ hatte abgefeuert werden müssen. Als seinerzeit nämlich die elf Spieler im Triumphzug von nahezu 200.000 Menschen eingeholt wurden, überboten sich offizielle Sprecher und die Parteien mit großzügigen Versprechungen. Das führte zu einem Beschluß am 19. Juli vorigen Jahres, in dem die Kongreßhalle endgültig zum Fußballstadion gestempelt wurde.

Vom DFB begrüßt

Hatten die Stadtväter aber damals an eine Arena für 90.000 oder gar 100.000 Zuschauer gedacht, so schlug ihnen nun March nur 70.000 Plätze vor, von denen 38.000 Sitz- und 32.000 Stehplätze sein sollen. Auch dem Deutschen Fußball-Bund scheint dieses Verhältnis richtig; er ist gehört worden, weil sich Nürnberg ja viele Länderspiele erhofft, wenn es erst einmal sein Großstadion hat.

15. März 1962: „Das Großstadion paßt in die Kongreßhalle“

© Gerardi

Diese Kapazität wird vom DFB schon deswegen begrüßt, weil Sitzplätze bekanntlich mehr Einnahmen bringen als Stehplätze; außer dem Olympiastadion in Berlin hat aber bisher keine deutsche Sportstätte eine so günstige Aufteilung von Sitz- und Stehplätzen. Deswegen konnte sich der Stadtrat auch nicht dazu entschließen, das Verhältnis zugunsten einer höheren Zuschauerzahl zu ändern: hätte man nämlich auf 80.000 erhöhen wollen, so wäre die Relation von Sitzplätzen von Stehplätzen auf 28.000 zu 52.000 verschoben worden.

Bis zwei Meter an das Spielfeld

Die ursprüngliche Absicht, in das U-förmige Rund zwei Ränge einzuziehen, hat der Berliner Professor ebenfalls geändert: er spricht sich nur für einen Rang aus, dafür aber will er die Zuschauer unten bis zwei Meter an das Spielfeld heranführen, wie dies in England üblich ist. Der Vorteil einer solchen Anordnung liegt darin, daß alle Plätze von oben her erreicht werden können, wodurch der Zuschauerstrom in einer Richtung verläuft. Das wird sicher auch von den Besuchern des Stadions dereinst begrüßt werden, denn das Bauwerk hat ohnehin die beachtliche Höhe von 19 Metern; das entspricht der Größe eines siebengeschossigen Gebäudes.

Sonst hohe Stahlmaste

Auf den „Großregenschirm“, wie Baureferent Heinz Schmeißner vor dem Plenum das geplante Dach über dem obersten Rang bezeichnete, will Werner March verzichten. Nach seiner Meinung bietet es bei Wind aus bestimmten Richtungen keinen genügenden Schutz gegen den Regen: Es verbaut aber die Möglichkeit, auf dem Kranz des Bauwerkes die Flutlichtanlagen anzubauen für die ansonsten hohe Stahlmaste aufgerichtete werden müßten.

Das Spielfeld selbst wird, wie der Professor in seinem Gutachten sagt, keine ideale Lage haben, denn seine Längsachse zeigt von Südwesten nach Nordosten. Es soll aber durch Tribünenbauten auf der Ostseite gegen unerwünschten Windeinfall geschützt werden. Hatte March daran gedacht, das Feld 100 Meter lang und 66 Meter breit zu machen, so plädierten die Vertreter des 1. FCN in einer Besprechung der Stadtverwaltung mit dem Architekten Ende Februar dafür, es auf die maximale internationale Größe von 105 Meter Länge und 70 Meter Breite zu bringen.

Als besonders günstig bezeichnet das Gutachten die Verkehrslage des Kongreßhallen-Torsos. Es ist nämlich möglich, die verschiedenen Verkehrsteilnehmer von verschiedenen Seiten an das künftige Großstadion heranzuführen. Während, die Autofahrer über die „Große Straße“ zu den Parkplätzen gelangen, kommen die Fußgänger auf der gegenüberliegenden Seite des Bauwerkes – an der Bayernstraße – an. Dorthin führen auch drei verschiedene Straßenbahnlinien: zur Südkaserne, zur Konzerthalle und zum Dutzendteich. Es wird noch überlegt, ob die Bayernstraße eine Fußgängerbrücke erhalten soll.

All das hat die Stadt in ihrem Vorsatz bestärkt, den Torso zu einem Stadion auszubauen. Der Deutsche Fußball-Bund hat bereits wissen lassen, daß er in den Vorschlägen von March eine Verbesserung gegenüber dem Vorprojekt erblickt. Er würde, wie der Baureferent mitteilte, dieser Lösung freudig zustimmen. „Der gute Name Nürnbergs im Fußballsport rechtfertigt einen solchen Stadionbau“, ist Stadtrat Schmeißner vom DFB gesagt worden – „nach dem Clubspiel in Lissabon“, wie er lächelnd hinzufügte.

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