Hateslam

Zum zweiten Mal in Nürnberg: Lachen gegen Hass

Kurt Heidingsfelder

Projektredakteur

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1.3.2024, 16:06 Uhr
"Sie sind hübsch, aber leider nicht mehr...": die Teilnehmer des Hateslams auf der Bühne im Museum für Kommunikation Nürnberg. 

© Stefan Hippel, NNZ "Sie sind hübsch, aber leider nicht mehr...": die Teilnehmer des Hateslams auf der Bühne im Museum für Kommunikation Nürnberg. 

"Na, Ihr woken Regenbogenfaschisten." So beginnt einer der Leserkommentare, die beim Hateslam des Verlags Nürnberger Presse (VNP) einem wahlweise geschockten, erstaunten oder amüsierten Publikum präsentiert wurden.

Hass in geballter Form, das belegte auch die zweite Veranstaltung dieser Art im ausverkauften Festsaal des Museums für Kommunikation (MKN), kann durchaus unterhaltsam sein. Mitunter offenbaren gerade die absurdesten Beschimpfungen eine unfreiwillige Komik. Was sollte man etwa jemandem antworten, der ernsthaft fordert, bei der Wettervorhersage doch "erst mal abzuwarten, was wirklich passiert", um dann - natürlich ohne abzuwarten - loszupoltern, es ginge der Redaktion nur darum, "schon mal Panik zu verbreiten. Ist das alles was Sie können? Falls ja, sind Sie auf den Niveau von Hitlers Wochenschau angekommen." Zur Erinnerung: Es ging ums Wetter.

In drei Kategorien (schlimmste persönliche Beleidung, schrägste Argumentation, Freestyle) traten beim Hateslam mehrere Kandidatinnen und Kandidaten gegeneinander an. Für die VNP-Redaktion waren Fadi Keblawi (Sport), Nicole Netter (Politik und Wirtschaft), Alexander Jungkunz (Chefpublizist) und Christian Urban (nordbayern.de) am Start. Als Gast gewährte Katharina Fritsch, Kommunikationschefin des 1. FC Nürnberg, Einblicke in die Abgründe der Fan-Kommunikation.

Lukas G. Schlapp, ein Nachwuchs-Journalist des VNP, holte bei seiner souverän-launigen Premiere als Moderator zunächst zwei Wissenschaftler auf die Bühne: Dr. Vera Losse vom MKN und Dr. Rolf-Bernhard Essig. Beide verantworten die Austellung : "Potz! Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech", die noch bis Januar 2025 im MKN zu sehen ist. Mit einem kurzweiligen Quiz zu Flüchen aus aller Welt stimmte Essig das Publikum auf den Abend ein. "Möge der Donner dein Klo treffen!" - so schimpft man zum Beispiel in Albanien.

Jungkunz ("Mir schreiben vor allem unzufriedene alte Männer") und Online-Experte Urban ("Auf Facebook ist keine Diskussion mehr möglich") bestätigten im zweiten Teil des Vorprogramms unisono, die Tonart sei zuletzt noch rauer geworden. "Im Netz geht fast nichts mehr unter Hitler-Vergleichen", konstatierte Urban.

Die meisten Dezibel gaben den Ausschlag: Nicole Netter holte sich den Hateslam-Pokal, re. FCN-Reporter Fadi Keblawi. 

Die meisten Dezibel gaben den Ausschlag: Nicole Netter holte sich den Hateslam-Pokal, re. FCN-Reporter Fadi Keblawi.  © Stefan Hippel, NNZ

Dass Journalisten als "links-versiffte Schreibterroristen" oder "Riesenarschlöcher" verunglimpft werden, ist an der Tagesordnung. "Wie gehen Sie damit persönlich um?", wollte ein Zuschauer wissen. "Wer wie wir Kritik übt", antwortete Jungkunz, "muss auch selbst harte Kritik aushalten." Aber trotz einer "inzwischen dicken Haut" ließen ihn krasse Zuschriften nach wie vor nicht kalt.

Im eigentlichen Wettbewerb um den Hateslam-Siegerpokal gab es neben vielen heiteren auch Momente der Fassungslosigkeit, etwa als Katharina Fritsch vortrug, dass Can Uzun, der deutsch-türkische Jungstar des FCN, von Anhängern des Karlsruher SC als "hässlicher Eselficker" geschmäht wurde. Ein anderer Kommentar zu Uzun enthielt die Hashtags "#Remigration" und "#Deportation", eine klare Anspielung an fremdenfeindliche Umtriebe rechtsextremer Gruppen. Und nach der jüngsten Derby-Niederlage hieß es: "Hat man euch ins Hirn gekackt?"

Neben Fußballspielern sind, das verdeutlichte Fadi Keblawi, auch Fußballreporter immer wieder Zielscheibe von üblen Kommentaren. "Der Typ hat von Fußball so viel Ahnung wie der Papst vom Ficken."

Wie "Ka-Depp"-Urgestein Keblawi leiteten alle Teilnehmer ihre Beiträge mit kurzen, meist selbstironisch gefärbten Erläuterungen der jeweiligen Begleitumstände ein. Das nahm mancher semantischen Grausamkeit ihren Schrecken.

Abgestimmt über den Gesamtsieg wurde letztlich mittels Johlen, Trampeln und Klatschen der begeisterten Zuschauer. Die meisten Dezibel erntete Nicole Netter ("Sie sind hübsch, aber leider nicht mehr..."), die nicht zuletzt mit dem Beitrag eines Stammkunden punktete, der reflexartig seine fränkische Staatsbürgerschaft proklamiert, sobald sich jemand in seinen Augen zum "Handlanger" von "bayerischem Rassimus" macht. "Wir Franken sind weder bayerisch noch sind wir Bayern. Ist das wirklich so schwer zu verstehen...?"

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