Illustrationen im Spielberger Sudhaus
31.3.2016, 14:56 UhrDas mit der Spurensuche ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen: Im Eingangsbereich des Gentner’schen Sudhauses thront auf einem weißen Tischchen ein leeres Kruzifix. Der Gekreuzigte selber ist dann mal weg, aber er hat eine Botschaft für uns („komme gleich wieder“) und blutrote Fußabdrücke weisen den Weg in die oberen Etagen.
Am Abend der Vernissage geht es zunächst in den Gewölbesaal im Erdgeschoss, wo Viktoriamarie Schiffler, eine Freundin und Kollegin Dommels, exklusiv für einen Tag großformatige Beiträge zu der von ihr gewählten Fragestellung „Who are you?“ zeigt. Begrüßt werden die beiden Künstler und das vielköpfige Publikum hier von Maria Braun-Gentner, die auch im Namen ihrer Schwester Walburga Gentner auf die langjährige Freundschaft mit Dommel hinweist und kurz seine bisherigen drei Präsentationen im Gasthof rekapituliert.
Die Etymologie des Wortes „Illustration“ nimmt Braun-Gentner zum Anlass, Appetit auf das zu machen, was Schiffler und Dommel „erleuchten, erklären, preisgeben“ wollen. Im Fall der international tätigen Nürnberger Illustratorin ist es eine Auseinandersetzung mit dem Menschen im Spannungsfeld zwischen Informationsfreigabe und Datensammelwut. Sie hat verschiedene Porträtfotos aus dem Internet in überlebensgroße, pastellfarbene Bildnisse verwandelt, vor denen jeder Betrachter ein anderes Verhältnis zu den fremden Personen entwickelt. Sämtliche Besucher sind aufgefordert, mithilfe eines Stempelkissens ihren Fingerabdruck zu hinterlassen, um der nächsten Ausstellung Schifflers „mehr Futter“ zu verleihen. Bereitwillig drücken die meisten ihren Daumen aufs Papier, sei es, um die Künstlerin zu unterstützen, sei es aus Stolz darauf, Teil eines Kunstwerkes zu werden, bei dem sensible Daten im Schutz gemeinschaftlicher Anonymität enthüllt werden.
Während die Herangehensweise seiner Kollegin vor allem ästhetischer Natur ist, verfolgt Dommel einen inhaltsbezogenen Ansatz. Seine am PC entstehenden Arbeiten für namhafte Magazine und Tageszeitungen lasten ihn nicht immer aus, denn just die Ideen, die ihm besonderen Spaß machen würden, darf er mit Rücksicht auf die Anzeigenkunden seiner Auftraggeber häufig nicht realisieren. Deshalb verwirklicht er sie in privaten Projekten, in denen Politisches, Kirchliches und die schöne neue Welt des Massenkonsums in schwarzhumorigen, teils makaberen Grafiken angeprangert werden.
Und so stolpert man beim Rundgang durch die oberen Stockwerke des Sudhauses und im eigentlichen Gasthof über etliche fiese Einfälle, die einen prima zum Lachen bringen könnten, wäre alles nicht so schrecklich wahr: Die Erde ist eine Kugel, mit der die Mächtigen Roulette spielen (wenn sie nicht eine Friedenstaube auf den Grillrost schmeißen), mit Trinkwasser lassen sich Geldhähne aufdrehen, unsere Kleidung kostet zu oft das Leben derjenigen, die sie herstellen, und überall vermag man sich laut „Apotheken-Umschau“ Fußpilz(e) zu holen. Und der verschwundene Christus? Schlummert in einem Bettchen unter einer Käseglocke und wartet wohl auf bessere Zeiten – ihm steht ja die Ewigkeit zur Verfügung.
Praktischerweise hat Jörg Dommel seine Illustrationen mit QR-Codes versehen, dank derer man sich auf dem Smartphone über die betrachteten Motive informieren kann. Gelegenheit dazu gibt es bis Mitte September mittwochs bis sonntags von 17.30 Uhr bis 22 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung unter (0 98 33) 988 930. Mit etwas Glück führt der kamerascheue Künstler selbst durch sein Werk, und wer ihn einfach so einmal erblicken möchte, soll, wie er sagt, die Gunzenhäuser Cayman-Bar aufsuchen. Dort kann man nicht nur seinem Skizzenbuch beim Vollwerden zuschauen, sondern auch manch scharfsinnigen Geistesblitz austauschen.
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