"Ein transkulturelles Ereignis"
11.3.2019, 10:15 UhrFür Nürnbergs Oberbürgermeister steht der Stellenwert des Festivals außer Frage. Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland sei schon einmal besser gewesen, die Spannung habe zugenommen, sagt Ulrich Maly in seinem Beitrag zur Eröffnung. Zugenommen habe auch die Sorge um die Demokratie in der Türkei. "Wir haben diese Sorge unter Freunden, und nicht etwa mit erhobenem Zeigefinger", betont der OB. Vor diesem Hintergrund sei das Filmfestival Türkei/Deutschland ein "trotziges Dennoch", das signalisiere, dass der Dialog weitergeht. Maly sieht das insgesamt neuntägige Event als ein "transkulturelles Ereignis" — transkulturell, weil dahinter Menschen stünden, die mehrere Heimaten ohne viel Mühe in ihren Herzen vereinen. "Solche Menschen helfen uns, die Inklusion voranzubringen".
Der renommierte Filmkritiker Klaus Eder, der die Würdigung der beiden Ehrenpreisträger Ediz Hun und Margarethe von Trotta übernahm, sieht das ähnlich: "In Zeiten, in denen Politiker nicht miteinander reden können oder wollen, ist es wichtig, dass Künstler miteinander reden", unterstreicht er. Ein bisschen pathetischer und leidenschaftlicher drückt es Ediz Hun aus. Die Welt erlebe gerade konfliktreiche Tage, einziges Heilmittel sei da die Kunst und die Liebe, sagt der 78-jährige Filmstar, der sich bei seinem Auftritt in der Tafelhalle als bestens aufgelegter Entertainer empfiehlt und mit seinen guten Deutschkenntnissen Sympathiepunkte sammelt.
Für Klaus Eder hat er in der Türkei den gleichen Stellenwert wie etwa Curd Jürgens, Karlheinz Böhm oder Rudolf Prack im deutschsprachigen Kino. Er habe den Liebhaber gespielt, sei der romantische Held gewesen. "Ein Humanist auf der Leinwand, der während der schmerzhaften gesellschaftlichen Umwälzungen in der Türkei in den 1960er und 70er Jahren dem grauen Alltag auf seine Weise Paroli bot und die Massen damit begeistern konnte", heißt es treffend im Festival-Programmheft. Zudem machte sich Hun, der vor seiner Filmkarriere in Norwegen Biologie und Umweltwissenschaften studiert hatte, einen Namen als Abgeordneter im türkischen Parlament.
Über Margarethe von Trotta, die 1966 erstmals als Darstellerin vor der Kamera stand, später aber lieber selbst Filme drehte, sagt Eder: "Wir haben zwar eine große Schauspielerin verloren, aber eine wunderbare Regisseurin gewonnen." Auch wenn sie mit ihren Werken nicht gleich erfolgreich gewesen sei, habe sie sich schließlich gegen die Skepsis in der Kinowelt und das Misstrauen der deutschen Kritik durchgesetzt. Oft handelten ihre Werke von Frauen, trotzdem ist "ein Film von Trotta nicht unbedingt ein Frauenfilm, sondern vor allem einer von Margarethe von Trotta", so Eder.
"Das Versprechen", "Rosa Luxemburg", "Hannah Arendt" und "Die bleierne Zeit" zeugen darüber hinaus davon, dass die Ehrenpreisträgerin (Interview in der NN-Ausgabe vom 8. März) immer auch die Zeitgeschichte im Blick habe.
Den dritten Ehrenpreis erhält in diesem Jahr die türkische Schauspielerin Filiz Akin. Sie wird am 16. März gewürdigt. Neben den Filmen der Ehrengäste bestimmen vor allem neue Produktionen das Festivalprogramm. Wie in Deutschland, wo sich Fußball-WM und fehlende Blockbuster auf die Kinokassen auswirkten, war 2018 auch in der Türkei ein Krisenjahr für Filmschaffende. Allerdings aus anderen Gründen. Schatten auf die eigentlich wachsende Branche würden besonders Kartellbestrebungen sowie politische und wirtschaftliche Entwicklungen werfen, schreibt der Filmkritiker Þenay Aydemir im Programm-Heft. Ein Grund mehr, dem türkischen Film und seinen Künstlern in Nürnberg ein Forum zu geben.
Infos unter www.fftd.net
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