Flöte spielen auf einer Zuckerdose
21.4.2010, 00:00 UhrAls Kind war Veronika Riedelbauch ein Engel. Zumindest, als sie mit fünf Jahren erstmals auf der Bühne stand. »Ich bin mit dem Theater aufgewachsen«, sagt sie. Genau genommen ist sie sogar im Theater aufgewachsen. Im Dehnberger Hoftheater nämlich, das ihre Eltern 1976 ins Leben riefen.
In dem alten Hopfenbauernhof lebten nicht nur Ponys, sondern oft auch Schauspieler. Berührungsängste zur Kulturszene hatte Veronika Riedelbauch nie. »In der Meistersingerhalle habe ich Fangen gespielt«, erinnert sie sich an die Abende, als ihr Vater Wolfgang mit dem Hans-Sachs-Chor auf der Bühne stand.
Schon mit sechs Jahren am Klavier
Obwohl sie schon mit sechs Jahren vor dem Klavier saß, darf ihr heute keiner zuhören, wenn sie in die Tasten schlägt. Schon gar nicht ihr Vater. »Er hat einen sehr hohen Anspruch an die Musik«, erklärt sie. Kein Wunder, schließlich hat er das Klavierspiel studiert und ist heute Intendant des Festivals »Fränkischer Sommer«.
»Musik und Theater waren mein Leben«, sagt Riedelbauch. Als Beruf kamen sie aber nicht in Frage. Etwas Handwerkliches sollte es sein, und so besuchte Riedelbauch die Keramikschule in Landshut.
Dass sie heute keine Blumentöpfe und Türschilder herstellt, verdankt sie einem Zufall. Weil ihre Mutter, eine Musiklehrerin, abnehmen wollte, töpferte Riedelbauch ihr ein Diät-Service. Das Prinzip: »Ein Tisch voller Keramik, wenig Platz für das Essen.«
Verbindung mit Klassik, Theater und Musik
Damit der Keramikberg trotzdem leicht war, drehte Riedelbauch die Gefäße doppelwandig. Um das Abnehmen zu versüßen, versteckte sie zwischen den Wänden ein paar Kügelchen: Fertig waren die Klangtassen. »Damit konnte ich Keramik, Musik und Theater miteinander verbinden«, erklärt Riedelbauch begeistert.
Der Ort, an dem sie ihrer neuen Leidenschaft mit Mut und Forschergeist nachging, liegt in der Gostenhofer Adam-Klein-Straße. Mit ihrem Künstlerkollegen Ignazio Tola teilt sie sich dort seit sechs Jahren eine Werkstatt. Aber was heißt schon Werkstatt? Eine urgemütliche Wohnhöhle ist es, in der jeden Gast ein knisternder Kaminofen und eine Klangtasse voll Cappuccino erwartet.
Eine Tasse als Wundertüte
Die Tasse selbst ist eine Wundertüte. Ob sie klingelt, rasselt oder vibriert erfährt man erst, wenn man zum Schluck ansetzt. Mal sorgen bis zu hundert kleine Kügelchen zwischen den Keramikwänden für das Klangerlebnis, mal eingebaute Glöckchen oder bespielbare Gitarrensaiten. Auf dem Deckel einer Zuckerdose kann man wunderbar Flöte spielen.
Das Essen und Trinken soll zelebriert werden. Deshalb sind die Kelche nicht außen prächtig mit Gold verziert, sondern im Inneren. »Es ist der Inhalt der zählt«, meint Riedelbauch.
Die 35-Jährige hat den Sinn für das Besondere: Ihr Meisterstück ist ein Trommeltisch in Ohrform, momentan arbeitet sie an einem Tisch mit riesigen, bespielbaren Klaviertasten. Drei weißen und zwei schwarzen.
Ihr Vater ist begeistert von ihren Ideen. »Er war wahnsinnig stolz, als ich in Dehnberg ausgestellt habe und alle total begeistert waren«, erzählt Riedelbauch. Den Jahren der Forschung und Perfektionierung soll nun der Erfolg folgen. Der Engel hat Flügel bekommen.
Ausstellung »anders«, Am Michelsberg 13c, Gräfenberg. 8.-16. Mai. Öffnungszeiten im Internet unter www.klangton.com oder in Riedelbauchs Klangtonatelier, Adam-Klein-Str. 112 RG, Tel. (0911)3217859.