Meister der Melancholie: Erlangen würdigt Jeff Lemire

29.5.2018, 14:36 Uhr
Meister der Melancholie: Erlangen würdigt Jeff Lemire

© Luigi Novi

Der 42-jährige Kanadier arbeitet sich in seinen Werken stets an der Melancholie und Vergänglichkeit ab. Egal, ob seine Figuren Hybride mit Geweihen, Superhelden oder Eishockey-Fans sind. Was die Kunst von Jeff Lemire ausmacht, lässt sich mit vielen Worten beschreiben. Was ihn als Künstler ausmacht, lässt sich mit einem Wort benennen: Organisiert.

Anders ginge es nicht. Im letzten Jahr veröffentlichte er mehrere eigene Serien wie "Royal City" und "Black Hammer", arbeitete bei Marvel an verschiedenen Reihen wie "Moon Knight" und "Extraordinary X-Men". Dabei betätigt sich Lemire mal nur als Autor, mal übernimmt er die komplette Arbeit an seinen Comics.

Meister der Melancholie: Erlangen würdigt Jeff Lemire

© Splitter Verlag

Seine Woche: Von Montag bis Freitag sitzt er in seinem Studio an Skizzen und Bildern. Am Wochenende erledigt er das Schreiben der Skripte. Lemire hält jede Deadline ein. Er arbeitet selbstständig. Ein Traum für jeden Verleger. Und dann kann er noch herausragend im Medium Comic erzählen. Weshalb er als Autor sowohl bei Marvel wie bei DC gefragt ist.

Allen Arbeiten Lemires Arbeiten ist ein gewisser Schwermut zu eigen. Seine Figuren mühen sich oft an den Themen Einsamkeit, Schmerz und Verlust ab, suchen nach einem Zuhause, einer Familie, Freundschaft. "Ich liebe es, Geschichten aus der Sicht des Unschuldigen zu erzählen – besonders in einer sehr unberechenbaren, unfreundlichen Welt", so Lemire.

Da wäre zum Beispiel der Süßigkeiten liebende Gus in "Sweet Tooth", der sich in einer postapokalyptischen Welt mit Kopfgeldjägern rumschlagen muss. Der Junge mit dem Geweih auf dem Kopf gehört zu einer Reihe von Hybridkindern, deren Alltag Verrat und Gewalt bestimmen. Doch Gus sucht – nach der letzten Hoffnung auf ein glückliches Leben. Egal, wie klein sie sein mag.

Die Serie zeichnete und schrieb Lemire vor mehreren Jahren – doch enthält diese Geschichte alle Themen, die er bis heute in seinen Comics ausarbeitet. Sie ist einer der Gründe für seinen Durchbruch. "Ich habe über die Jahre meinen eigenen Stil und meine eigene Stimme entwickelt und versuche, dem treu zu bleiben", so Lemire. "Modisch oder provokant will ich nicht schreiben. Es geht darum, dass du Dinge schreibst, auf die du stolz sein kannst und nicht darum, einem imaginären Publikum zu gefallen." Was sich auch in seinem ungewöhnlichen Zeichenstil zeigt. Lemires Panels wirken oft skizzenhaft, fast expressionistisch. Sein kantiger Strich erzeugt eine eigene, eigenartige Atmosphäre.

Seit dem Band "Sweet Tooth" veröffentlichte Lemire zahlreiche weitere Projekte, etwa die Graphic Novel "Der Unterwasser-Schweißer" sowie die SciFi-Serien "Descender" und "A.D. After Death". Gerade brachte der Splitter-Verlag den ersten Band der deutschen Übersetzung seiner aktuellen Serie "Black Hammer" heraus, eine Hommage an die letzten 70 Jahre der Superheldencomics.

Wie ein Kind auf einem Spielplatz fühle er sich beim Schreiben, sagt Lemire. Er hat einfach Spaß an dieser Geschichte. "Es sollte meine Version der Superhelden werden, angesiedelt in dem Umfeld, das ich am liebsten mag – gradlinige Geschichten über Familien und Kleinstädte." Anspielungen auf Superman, Swamp Thing und Captain America inklusive.

Doch vielmehr zeigt sich in dieser Geschichte, was Comics als Genre vermögen und was Lemire als Autoren auszeichnet. Denn er schafft aus der Selbstreferenz heraus ein eigenständiges Werk, das sich ohne jedes Vorwissen verstehen lässt. Lemire schrieb die Skripte, Dean Ormston übernahm die Zeichnungen, neue Kapitel sowie kleinere Ableger der Figuren sollen bald folgen. Und die Fortsetzung von "Black Hammer" ist nur eine der vielen Ankündigungen von Comics mit Beteiligung des Kanadiers.

Mehr als 130 Zeichnungen, Skizzen und Ausschnitte aus Notizbüchern aus Lemires Atelier in Toronto zeigt nun der Comic-Salon in einer Ausstellung im Erlanger Redoutensaal vom 31. Mai bis 3. Juni. Ein Einblick in die Routine eines der herausragendsten Comic-Künstler des 21. Jahrhunderts. Die Kunst des Erzählens. Mit einem Wort: Einmalig.

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