„Michael Binder Quartett“ servierte virtuosen Modern Jazz
30.11.2014, 18:34 UhrWarmspielen müssen sich die vier Musiker nicht mehr, schon der Einstieg ist geprägt von Schnelligkeit, rhythmischen Verschiebungen und akkuratem Zusammenspiel. Mit einem Solo nach Art des Altmeisters Max Roach meldet sich Schlagzeuger Dominik Raab explizit zu Wort. Auch im nächsten, vom Grundtempo her deutlich langsameren Stück wird die gleiche Energie spürbar. Durch die solide Spielweise des Kontrabassisten Friedrich Betz, der damit die Band zusammenhält, wird seinen Mitmusikern Freiraum für musikalische Ideen und virtuose Ausschweifungen gewährt, wie es ähnlich schon beim ersten Miles-Davis-Quintett zu hören war.
Starke Akzente
Bandleader Michael Binder setzt, egal ob bei treibendem Uptempo-Swing oder einfühlsamen Ballade, mit Sopran-, Alt- oder Tenorsaxophon starke Akzente und schwelgt in den meist selbst verfassten Melodien. Pianist Andreas Feith fegt mit unerhörter Leichtigkeit über die Tasten und serviert in seinen Soli unglaubliche Läufe mit maximaler Geschwindigkeit.
Für Hörer, die nicht mit dem Jazz vertraut sind, mögen die Soli mitunter wirr und willkürlich klingen. Friedrich Betz überzeugt sie vom Gegenteil: Er singt wie viele Jazzmusiker, leise seine Figuren und Melodien mit, was davon zeugt, dass alles wohlüberlegt ist und sich in seinem Kopf schon vorher abgespielt hat. Unter der erdrückenden Klangfülle ekstatischer Passagen muss der aufmerksame Hörer tiefer bohren, dort findet er aber eine schier unendliche Menge an Einfällen und Interaktionen: Jazz ist nichts für einfältige Menschen. Der musikalische Witz wird auch in den Titeln der Eigenkompositionen sichtbar: So spielen die Musiker aus dem Raum Nürnberg über Alfred Jodokus Quack, Petrosilius Zwack oder über kaputte Teile in Binders Auto.
Letztere sind im letzten Stück, einer „Motor Suite“, vereinigt, die eine große Lautmalerei über das Kaputte und das mühsame Zusammenbauen ist: Über ein motorähnliches, monotones Stampfen von Bass und Schlagzeug ahmt Schlagzeuger Raab auf kunstvolle Weise ein defektes Teil nach. Als Rausschmeißer kredenzt das Michael Binder Quartett noch Thelonious Monks Standard „Ask Me Now“.
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