Junkies im Tierreich

200 Schwäne dröhnen sich monatelang auf Mohnfeld zu - jetzt müssen sie in den Entzug

Stefan Besner

Online-Redaktion

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9.6.2023, 18:54 Uhr
"Diese Schwäne verhalten sich unnatürlich.", erklärt Bauer Pem. (Symbolbild)

© PantherMedia / Celia Medel "Diese Schwäne verhalten sich unnatürlich.", erklärt Bauer Pem. (Symbolbild)

"Turn on, tune in, drop out.", psalmodierte Drogenpapst Timothy Leary in den 60ern. Speziell den letzten Teil dieser Predigt verinnerlichten 200 Schwäne in der Slowakei bis in die letzte Federspitze. Die Tiere knallten sich monatelang derart mit Mohn zu, dass der der Besitzer des Feldes, Biobauer Balint Pem, sich schließlich gezwungen sah, die zugedröhnten Vögel in eine Art Entzugsklinik zu stecken.

Schwäne im Delirium

"Diese Schwäne verhalten sich unnatürlich.", erklärt Pem in einem Beitrag in der ARD-Mediathek. Einer lege aggressives und antisoziales Verhalten an den Tag, vertreibe Artgenossen aus seinem Bereich, anderen könne man sich auf einen Meter nähern, ohne, dass sie reagierten. "Man kann sie problemlos einfangen. Den ganzen Tag kümmern sie sich um nichts anderes, als wieder Mohn zu fressen. Es sieht so aus, dass sie wirklich daran Gefallen gefunden haben."

Mohn, speziell Schlafmohn, enthält Morphium und andere Alkaloide. Aus seinem Saft kann Opium gewonnen werden. Wie es in dem Beitrag heißt, hätten die Schwäne sich über einen Zeitraum von rund vier Monaten auf dem Feld niedergelassen - und währenddessen kaum etwas anderes getan, als sich pausenlos die Birne zu vernebeln. Für Fortpflanzung und Nestbau waren sie zu high. An Fliegen war sowieso nicht mehr zu denken. Der Fuchs hatte leichtes Spiel. Manch ein Wasservogel hatte sich gar dermaßen aus der Welt geschossen, dass er im nahgelegenen Fluss ertrank.

Junkie-Schwäne müssen in den Entzug

"They tried to make me go to Rehab, but I said no, no, no...", deklamierte Amy Winehouse einst mit unvergleichlich sonorem Trotz in der Stimme. Eine Attitüde, die den meisten Süchtigen wohl schon einmal über den Weg getorkelt sein dürfte - und offenbar auch vor Schwänen keinen Halt macht. Dumpfe Wut, gepaart mit nihilistischer Gleichgültigkeit beherrscht die tranig-hilflosen Abwehrversuche der Junkie-Schwäne gegen jene nebulösen Feinde, die sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund einfach nicht in Ruhe lassen wollten, dort, auf ihrem Mohnfeld am Rande der Welt; wo alles cool war...

Weil die Tiere unter Naturschutz stehen, durfte Pem sie laut "SWR" bislang lediglich per Hände-Klatschen vertreiben, was aus naheliegenden Gründen nicht allzu große Wirkung hatte. "Wir sind eine Ökolandwirtschaft, da tut es uns natürlich leid, dass die Tiere hier leiden.", sagt Pem. Laut "Brisant" fand er letztlich doch noch einen Weg. Helfer fingen die verjunkten Entenvögel einen nach dem anderen ein und transportieren sie ab - nur weg von der Droge, so lautet die Devise.

Apathische Schwäne in Rettungsstation

Naturschützer Radovan Michalka erklärt, was nun mit den mohnsüchtigen Schwänen passiert: "Die Apathischen kommen in eine Rettungsstation, die Gesünderen einfach an einen anderen Ort." Das Wichtigste sei, dass sie nicht wieder hierher zurückkämen.

Für den nicht unwahrscheinlichen Fall, dass die Schwäne sich tatsächlich erinnern sollten, wo sie ihren Stoff herbekamen, hat Bauer Pem, dessen gesamte Ernte durch die Tiere in Gefahr war, vorgesorgt: Im nächsten Jahr will er Raps anbauen.