Experte erklärt

Drängeln, hupen, fluchen: Warum Menschen im Straßenverkehr immer aggressiver werden

Christian Urban

Redakteur - nordbayern.de

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21.3.2024, 11:04 Uhr
Die Hupe ist ein gerne genutztes Instrument, um seiner Unzufriedenheit im Straßenverkehr Ausdruck zu verleihen. (Sy,bolbild)

© IMAGO/imageBROKER/Isai Hernandez Die Hupe ist ein gerne genutztes Instrument, um seiner Unzufriedenheit im Straßenverkehr Ausdruck zu verleihen. (Sy,bolbild)

Eine Befragungsstudie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) aus dem Jahr 2023 zur Verkehrssicherheit zeigt, dass es auf Deutschlands Straßen immer aggressiver zugeht. Rund die Hälfte der Befragten gab an, dass sie sich nach Ärger gelegentlich im Verkehr abreagieren und zum Beispiel schneller fahren als sonst - 2016 war dieser Wert nur knapp halb so hoch.

"Bei dieser Frage sollte eigentlich jeder klar mit ‚Nein‘ antworten, denn der Straßenverkehr ist kein Ort, an dem man Aggressionen loswerden sollte", sagt Thomas Wicke, Verkehrspsychologe bei TÜV SÜD Pluspunkt. 44 Prozent gaben an, zumindest gelegentlich kurz auf die Bremse zu treten, um eine Person, die hinter ihnen drängelt, auszubremsen. Rund 31 Prozent treten schon mal absichtlich aufs Gaspedal, wenn sie überholt werden und 21 Prozent gaben an, beim Überholen auf der Autobahn gelegentlich mit Lichthupe und Blinker auf sich aufmerksam zu machen.

Erstaunlicherweise empfinden die meisten Befragten Aggressivität auf der Straße durchaus als Problem, sehen sich selbst dabei aber kaum in der Verantwortung. So antworteten 96 Prozent aller Autofahrer, dass sie Radfahrer mit besonders viel Rücksicht überholen würden, gleichzeitig aber bei 93 Prozent der anderen Autofahrer einen zu geringen Sicherheitsabstand beim Überholen von Fahrradfahrern wahrnähmen.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielschichtig. Mit den Städten wächst auch das Verkehrsaufkommen auf den Straßen enorm - die Anzahl der Verkehrsteilnehmer, darunter nicht nur Autofahrer, sondern auch Fahrradfahrer und Fußgänger, steigt. Gleichzeitig werden die Ansprüche der verschiedenen Verkehrsteilnehmer deutlicher geäußert als früher - so beharren Radfahrer mit Recht auf ein besseres Radwegnetz, ebenso wie Fußgänger auf sichere Gehwege. Dazu kommt noch, dass in der Gesellschaft insgesamt ein Trend zu einer höheren Gesamtaggressivität erkennbar ist, der auch vor den Straßen nicht Halt macht.

Lässt man beim Autofahren der Wut freien Lauf, endet das oft in gefährlichen und riskanten Fahrmanövern oder sogar in Unfällen. Und nicht nur das: Fällt ein Fahrer mehrmals durch aggressives und riskantes Fahrverhalten auf, kann das weitreichende Konsequenzen haben: "Im Ernstfall kann eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden. Wird ein Hang zur Aggression im Straßenverkehr erkannt, erhält der Betroffene seinen Führerschein nur wieder, wenn er intensiv an diesem Problem gearbeitet hat", erklärt Thomas Wicke.

Wird das Verhalten sogar als Nötigung gewertet, können auch eine Geld- oder Freiheitsstrafe drohen. "Männer fallen übrigens häufiger durch aggressives Fahrverhalten im Straßenverkehr auf. Die Zahl der Frauen, die nach einer Nötigung zur MPU müssen, ist vernachlässigbar gering", so der Verkehrspsychologe.

Stress vermeiden

Wer gestresst ist, sollte daher rechtzeitig reagieren, bevor er aggressiv wird. Positive Gedanken, die Lieblingsmusik oder eine tiefe Bauchatmung entspannen und lenken ab. Um Stress zu vermeiden, sollte vor allem zu Stoßzeiten im Berufsverkehr genügend Puffer eingeplant werden. "Fallen andere Verkehrsteilnehmer durch ein hohes Maß an Aggressivität auf, sollte man selbst Ruhe bewahren", rät der Experte. "Den Drängler auszubremsen und zu provozieren oder jedoch in Panik zu verfallen, kann eine gefährliche Situation nur noch weiter verschärfen."

Um die Sicherheitslage zu verbessern, sind verschiedene Vorschläge in der Diskussion, darunter strengere Geschwindigkeitsbegrenzungen, eine Null-Promille-Regelung im Hinblick auf den Alkoholkonsum, verstärkte Polizeikontrollen, höhere Bußgelder, autonomes Fahren oder neue Verkehrsplanungskonzepte. "Die konkrete Umsetzung vieler dieser Maßnahmen ist aber noch Zukunftsmusik. Deshalb ist es umso wichtiger, bei sich selbst anzufangen und gelassener und rücksichtsvoller am Straßenverkehr teilzunehmen", so Thomas Wicke abschließend. "Denn nur aus Ärger die Gefährdung oder sogar den Tod anderer in Kauf zu nehmen, ist absolut inakzeptabel."

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