Innovatives Konzept

Jeden Tag ausschlafen: So macht eine Bäckerei der Gen Z den Beruf schmackhaft

sde

1.3.2024, 15:57 Uhr
Als Bäcker gehört frühes Aufstehen, um die Backwaren vorzubereiten, normalerweise zum Alltag.

© Fabian Sommer/dpa/Archivbild Als Bäcker gehört frühes Aufstehen, um die Backwaren vorzubereiten, normalerweise zum Alltag.

Aufstehen, wenn die Freunde feiern gehen. Teig kneten, während sie entspannt schlafen. Von der Arbeit heimkommen, wenn sie noch nicht mal Mittagspause gemacht haben. Die insbesondere von der Generation Z angestrebte "Work-Life-Balance" ist mit den Abläufen im Bäckereigewerbe nur schwer zu vereinbaren. Dass die Uhren in der Handwerksbranche aber nicht zwangsläufig anders ticken müssen, beweist ein junger Bäckermeister.

Till Gurka erlebte die Schattenseiten seines Berufs schon sehr früh: Als er im Alter von 15 Jahren seine Lehre zum Bäcker begann, schrumpfte sein soziales Umfeld rasch, die harten Arbeitsbedingungen und speziellen Schichten machten dem leidenschaftlichen Bäcker zu schaffen: "Ich hatte irgendwann nicht mehr viele Freunde. Wenn du immer arbeitest, wenn alle anderen unterwegs sind und dann den halben Tag über schläfst, ist das einfach keine gute Work-Life Balance für einen jungen Menschen", erklärte Gurka dem "Focus".

Mit dieser Erfahrung entwickelte Gurka ein eigenes Konzept für eine Bäckerei. Im Corona-Jahr 2020 erfüllte sich der Freiburger seinen Kindheitstraum und eröffnete seinen eigenen Laden. Das Besondere: "Till und Brot" öffnet seine Pforten an den meisten Tagen um 11 Uhr. In gewöhnlichen Bäckereien haben die Mitarbeitenden dann schon einen achtstündigen Arbeitstag hinter sich. In Gurkas Bäckerei stehen die ersten Bäcker indes ab 6 Uhr am Brötchenofen und formen, backen und belegen die Backwaren. Ermöglicht werden diese Arbeitszeiten nicht nur durch die späteren Öffnungszeiten, sondern auch durch ein überschaubares Sortiment: An jedem Tag wird nur eine kleine Selektion an Produkten verkauft. Croissants gibt es beispielsweise nur an Samstagen zu kaufen.

Durch die deutlich verträglicheren Arbeitszeiten ist Gurkas Bäckerei, deren Altersdurchschnitt bei rund 26 Jahren liegt, insbesondere für die Generation Z attraktiv. "Ich bekomme mehr Bewerbungen als ich einstellen kann", erklärt der 31-Jährige dem "Focus". Die Ausbildungsplätze bei "Till und Brot" seien sowohl für dieses als auch für das kommende Jahr bereits vergeben. Darunter befinden sich nicht nur Jungspunde, sondern auch Erwachsene, die bereits jahrelang einen anderen Job ausübten: "Ich habe ehemalige Ärzte oder Lehrer, die zu mir kommen, um nochmal neu anzufangen und ihren Traum vom Bäcker zu verwirklichen. Die haben sich früher von den harten Arbeitsbedingungen abschrecken lassen und fangen bei mir jetzt eine Ausbildung an", erzählte Gurka.

Nicht nur hinsichtlich der Mitarbeitenden, sondern auch hinsichtlich der Kundschaft gibt der Erfolg dem jungen Bäckermeister recht. Nachdem unter anderem Gurkas Freunde an dem Konzept von "Till und Brot" zweifelten, da die späten Öffnungszeiten solche Kunden vertreiben würden, die frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit ein Frühstück benötigen, stehen die Leute laut Gurka "inzwischen sogar manchmal um die Ecke Schlange".

Das Konzept zeigt also seine Wirkung sowohl bezüglich der Kundschaft als auch der Mitarbeitenden. Und dennoch lässt es sich wohl nicht auf die breite Masse an Bäckereien übertragen. Gurka verstehe, dass es auch Bäcker geben müsse, die frühmorgens ihre Auslagen voll mit Brötchen und Gebäck für Berufstätige anbieten, er betont jedoch: "Ich wollte zeigen, dass es auch eine Alternative dazu gibt. Und außerdem: Was geht über ein frisch gebackenes Schoko-Brioche um 16 Uhr am Nachmittag?"