Aldi unter Druck

Morddrohungen, Umweltzerstörung und Ausnutzung: NDR-Doku kritisiert ALDI

Anton Dietzfelbinger

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18.9.2023, 09:30 Uhr
ALDI verspricht Nachhaltigkeit und Menschenwürde - doch werden die Versprechen auch eingehalten?

© IMAGO/Michael Gstettenbauer ALDI verspricht Nachhaltigkeit und Menschenwürde - doch werden die Versprechen auch eingehalten?

Erdbeeren, Schinken, Eier und manchmal Rosen. Das alles sind Produkte, die die meisten schon einmal bei Aldi gekauft haben. Und das zu vergleichsweise billigen Preisen trotz Inflation.

Doch können 500 Gramm Erdbeeren aus Spanien für 1,39 € überhaupt alle Kosten decken, die sie verursachen? Und wie ist das bei Fleischprodukten und Rosen? Diesen Fragen ist ein Journalisten-Team des "Norddeutschen Rundfunks" (NDR) nachgegangen.

Ihre Antworten widersprechen teilweise den eigentlichen Grundsätzen von Aldi. Wir, die nordbayern.de Redaktion, haben Aldi Süd mit den kritischen Erkenntnissen der Doku ebenso konfrontiert.

Im Vorfeld möchte Aldi Süd uns gegenüber klarstellen: "Als einer der führenden Lebensmitteleinzelhändler Deutschlands ist sich ALDI SÜD seiner Verantwortung für das Tierwohl, den Umweltschutz und die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette bewusst, daher geht die Unternehmensgruppe auch in diesen Bereichen besonders sorgfältig vor."

Das alteingesessene Unternehmen steht auch in seinen Werbeversprechen für Nachhaltigkeit, Achtung der Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen. Doch können die auch eingehalten werden?

Das grausame Geschäft mit Erdbeeren

Aldi-Erdbeeren kommen teils aus Spanien, genauer, aus der Stadt Huelva. Das NDR-Team reist dorthin und möchte wissen, unter welchen Umständen das Obst wächst und wie es geerntet wird. Der erste Hinweis auf den Herstellungsort ist eine sogenannte GLOBAL G.A.P. Nummer, kurz GGN. Die steht auf der Verpackung und kann auf einer Internetseite eingegeben werden.

In der Doku wird Aldi zitiert, dass so Kunden "einfach und transparent nachvollziehen (können), woher die Produkte stammen." Etwas kompliziert ist es aber dennoch. In Huelva angekommen, findet der NDR-Reporter keine Felder vor, sondern nur Lagerhallen. Die Leute vor Ort lehnen aber Journalisten grundsätzlich ab, oder geben keine Auskunft.

Mit einem Umweltschützer vom WWF fahren sie schließlich zu den nächstgelegenen Erdbeerfeldern, die sich in beachtlicher Größe über das Festland erstrecken. Dort würden rund 350.000 Tonnen Erdbeeren pro Saison geerntet und Deutschlands Supermärkte und Discounter seien die Hauptabnehmer, so der NDR. In den 90ern startete das Geschäft, Anbau und Wirtschaft boomten, bis sich schnell die Ressourcen erschöpften. Es gibt mittlerweile kaum mehr Wasser zur Versorgung und neben den Erdbeerfeldern trocknet ein Nationalpark aus.

Unserer Redaktion sagte Aldi Süd: "Alle Produzent:innen, die ALDI SÜD beliefern und aus Regionen mit hohem Wasserrisiko stammen, müssen seit Juli 2022 nach dem GLOBAL G.A.P. Add-On SPRING (ein Programm, das den angemessenen Verbrauch von Wasser auf Feldern regulieren soll. Anm. d. Red.) oder einem alternativ akzeptierten Standard zertifiziert sein. Dazu zählt auch die Region Huelva."

Die Reportage zeigt, dass in Huelva reguläre und illegale Felder, teils mit illegalen Brunnen bewässert werden. Wenn örtliche Behörden von einem solchen erfahren, kann es allerdings bis zu zehn Jahre dauern, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, da die Schuldigen zu finden und anzuzeigen sehr schwierig ist.

Der Reporter möchte mit Arbeitern auf den Feldern sprechen, doch der Guide rät ihm davon ab und warnt davor, mit dem Auto stehenzubleiben. Es könnte passieren, dass sie angegriffen werden. Regelmäßig würden in diesem gefährlichen Gebiet Naturschützer oder Journalisten bedroht werden.

Nach einigen gescheiterten Versuchen kann der Journalist einen Sprecher der Bauernvereinigung treffen. Diesen Sprecher gibt es überhaupt erst, weil viele sich nicht trauen, öffentlich zu reden. Das erklärt auch, warum sich davor keiner äußern wollte. Der Sprecher erzählt, dass Morddrohungen an Feldarbeiter ständig geäußert würden, teils sehr detailliert: Einem Bauern soll angedroht worden sein, dass seine Kehle durchgeschnitten und seine Leiche entsorgt würde.

Menschenunwürdige Zustände

Das NDR-Team besucht ein sogenanntes "Charbola", auch genannt Slum. Dort leben viele der Arbeitskräfte, die auf den Feldern arbeiten. Hütten aus Blech und Plastikfolien bieten den Menschen ein "Zuhause". Kein Strom, keine Sanitäranlagen. Müll sammelt sich an vielen Stellen.

Es gibt einen Gewerkschafter, der sich laut NDR nach besten Möglichkeiten für die Rechte der Arbeitenden dort einsetzt. Er berichtet von zu wenig Lohn und miserablen Lebensbedingungen. Viele Geflüchtete leben dort und werden regelrecht ausgenutzt. Bei Frauen kommt es zu Übergriffen und sexueller Nötigung durch Bauern, so der Gewerkschafter. Während Aldi auf ihrer Homepage versichern, "dass unternehmerischer Erfolg auf Dauer nur dann möglich ist, wenn Menschenrechte anerkannt und geschützt werden".

"ALDI SÜD akzeptiert in seiner Lieferkette keine Verstöße gegen seine Grundsätze. Gibt es einen Verdacht, dass diesen Grundsätzen nicht gefolgt wird, geht das Unternehmen diesem aktiv nach und behält sich Konsequenzen für die weitere Zusammenarbeit vor", sagte Aldi Süd nordbayern.de.

Arbeiter erzählen, dass Hände und Arme jucken, wenn sie mit den Erdbeersträuchern in Kontakt kommen. Sie dürfen keine Handschuhe tragen. Grund dafür können Pestizide sein, mit denen das Obst behandelt wird. Auf den Check des NDR waren 2 von 3 Erdbeeren mit Pestiziden belastet, die umweltschädlich und gesundheitsgefährdend sein könnten.

Auf Anfrage unserer Redaktion, machte Aldi Süd deutlich: "Lebensmittelsicherheit und das Vertrauen der Kund:innen in die von ALDI SÜD angebotenen Lebensmittel haben für das Unternehmen höchste Priorität." Zudem ergreife das Unternehmen bei Verdacht auf einen Verstoß gegen die von ALDI SÜD gestellten Anforderungen in den Bereichen Verbraucherschutz, Anwenderschutz und Umweltschutz umgehend Maßnahmen und behalte sich Konsequenzen für die weitere Zusammenarbeit vor.

Fleisch und Eier

Aldi wirbt mit dem Hashtag #haltungswechsel und möchte zukünftig möglichst nur noch Produkte aus der Haltungsform 3 und 4 anbieten. Marketing oder Realität? Geht es Tieren in höheren Haltungsformen tatsächlich besser? Damit beschäftigt sich die zweite Folge.

Ein anderes Team deckt hier auf, dass das Tierwohl in vielerlei Hinsicht nicht eingehalten wird. Die Tierrechtsorganisation "Animal Rights Watch" zeigt dem NDR Videos und Belege von kranken Tieren, die lange nicht behandelt worden sind. Dort zu sehen sind Schweine auf zu engem Raum mit offensichtlichen, körperlichen Schäden. Hühner tragen kaum Federn und leiden augenscheinlich ebenso an Platzmangel.

Folgendes antwortete uns Aldi Süd: "ALDI SÜD ist überzeugt davon, dass alle Akteur:innen in Politik, Verarbeitung, Landwirtschaft, Handel und die Verbraucher:innen an einem Strang ziehen müssen, damit die Transformation der deutschen Landwirtschaft dauerhaft gelingen kann."

Foodwatch e.V. setzt sich mit Qualität von Lebensmitteln auseinander und erklärt in der Dokumentation: Tiere in Haltungsform 3 oder 4 sind meistens krank. Die Haltungsstufe sagt nichts über die Gesundheit der Tiere aus – für Verbraucher sei diese Kategorisierung irreführend.

Es werde weniger auf die Tiergesundheit geachtet, eher auf die "Leistung" eines Tieres. Der NDR kann trotz vieler Versuche mit keinem der Eierhöfe sprechen, an denen Aldi-Hennen gehalten werden. Auch hier lässt sich Herkunft der Eier über eine Nummer auf der Schale erkennen.

Aldis Vorhaben, ab 2030 Fleisch aus besseren Haltungsformen zu verkaufen, beißt sich laut der NDR-Doku mit den Verträgen mit Landwirten, die diese Haltung teilweise nicht gewährleisten können. Sie könnten nicht schnell genug auf neue Haltungsformen ausbauen, hätten keine Planungssicherheit.

Aldi Süd sagte unserer Redaktion dazu: "Erst kürzlich hat der Discounter aufgrund gestiegener Kosten freiwillig die Einkaufspreise bei der Haltungsform 3 erhöht, um die Landwirt:innen beim Haltungswechsel zu unterstützen und Sicherheit zu bieten. [...] Mit dem #Haltungswechsel hat ALDI SÜD einen klaren Plan zur marktseitigen Unterstützung der Transformation der deutschen Landwirtschaft vorgelegt. Damit gibt das Unternehmen den Landwirt:innen langfristige Planungssicherheit, noch mehr Ware aus den besseren Haltungsformen vermarkten zu können." In der vertraglichen Situation bittet Aldi Süd um Verständnis, dass sie diesbezüglich keine detaillierten Angaben machen können.

Die "Fairtrade"-Rosen

In der dritten und letzten Folge der Reportage sind die Erkenntnisse ähnlich. Aldi verkauft ganzjährig Rosen. Unter anderem aus Kenia. Hier wird hinterfragt, wie Aldi sie so billig verkaufen kann. Bei Aldi Süd kann man sie mit dem "Fairtrade" Abzeichen für einen Euro mehr, also 2,99 Euro, erstehen. Diesen "Fairtrade"-Rosen reist diesmal eine Journalistin hinterher und zeigt auf, dass viele Menschen dort auf die Arbeit mit den Rosen angewiesen seien, weil es schlicht wenig bis gar keine Arbeit dort gibt.

Doch zu welchen Konditionen? Ein interviewter Mitarbeiter erhalte umgerechnet 61 Euro im Monat. Er sagt der Reporterin: "Das ist nicht fair, es ist unfair". In weiteren Gesprächen mit Menschen dort, sagen Arbeiter und Arbeiterinnen, dass sie schlecht bezahlt würden und zu viel arbeiten müssten. Auch hier seien Menschen, die Rosen ernten, den Chemikalien ausgesetzt, mit denen die Rosen bearbeitet werden.

"Hohe Sozialstandards sind die Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Lieferant:innen und ALDI SÜD. [...] Diese (Sozialstandards der Produktion, Anm. d. Red.) sind vertraglich bindende Vereinbarungen für alle Lieferant:innen und Geschäftspartner:innen, mit denen ALDI SÜD zusammenarbeitet, und beschreiben die notwendige Sorgfaltspflicht, Managementsysteme, Richtlinien und Verfahren, die zur Umsetzung fairer Arbeitsstandards erforderlich sind", beteuert Aldi Süd unserer Redaktion.

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