Die Angst vor neuer Dimension rechter Gewalt

16.12.2008, 00:00 Uhr
Die Angst vor neuer Dimension rechter Gewalt

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Der Ton, der sich quer durch die Einträge zieht, ist nicht nur zynisch und unappetitlich, er ist offen aggressiv. Und er findet sich schon lange nicht mehr nur in den dunklen Ecken des Internets. «Das hat sich in der Vergangenheit Stück für Stück hochgeschaukelt, sagt Rudolf Steinhögel.

Der Kriminalhauptkommissar und Personalratschef beim Polizeipräsidium Mittelfranken hat sich über Jahre mit der rechten Szene in Bayern und der Region beschäftigt. Ob sich die «Gesamtbedrohungslage« für einzelne Polizisten vor dem Hintergrund des Attentats in Passau geändert hat, will er nicht beurteilen. Fest steht für Steinhögel aber, dass sich das Verhalten und Auftreten der Rechtsradikalen in der jüngeren Vergangenheit verändert hat.

Rechte in Auflösung

Dafür gibt für Steinhögel mehrere Gründe. Einer davon sei die Strategie der Polizei, es NPD & Co. bei Kundgebungen und Demonstrationen inzwischen mit Absperrgittern, unattraktiven Marschrouten und peniblen Personenkontrollen so schwer wie möglich zu machen. Zum anderen verliere die NPD, die mit Rücksicht auf die bürgerliche Wählerschaft einen strategischen Gewaltverzicht propagiere, offenbar ihren Einfluss auf «freie Kameradschaften«.

Tatsächlich scheint gerade durch die bayerische NPD ein tiefer Riss zu gehen. Vor allem junge Radikale sollen inzwischen in Scharen aus der Partei ausgetreten sein, weil ihnen der offizielle Kurs nicht hart genug ist. Auch Neonazi-Gruppierungen wie der «Kameradschaftsbund Hochfranken« wetterten unlängst gegen den «Wischi-Waschi-Kurs« der NPD. Angesichts solcher Entwicklungen «könnte man schon auf die Idee kommen, dass auch hier in Franken künftig auf den ein oder anderen Beamten mehr aufgepasst werden muss«, sagt Steinhögel.

Ganz so wollen das hingegen weder der mittelfränkische Polizeipräsident Gerhard Hauptmannl noch die Pressestelle seines Amtskollegen Gerhard Bauer in Oberfranken sehen. «Polizeibeamte stehen immer irgendwie im Focus. So lange die Hintergründe für die Tat nicht geklärt sind, wird es wohl keine besonderen Schutzmaßnahmen geben«, so Polizeisprecher Michael Bergner. «Ich persönlich denke, eine besondere Gefährdung von Polizeiangehörigen ist nicht gegeben«, sagt auch Hauptmannl.

«Es ist erschütternd, was in Passau passiert ist«

Bis zum Beweis des Gegenteils müsse von einer Einzeltat ausgegangen werden. «Aus einer erhöhten Gewaltbereitschaft einzelner kann man aber nicht auf die erhöhte Gewaltbereitschaft aller schließen.« Genau hier sieht Hauptmannl auch nach wie vor das Grundproblem bei dem jetzt wieder heiß diskutierten NPD-Verbotsverfahren.

In Wunsiedel und Gräfenberg ist man anderer Meinung. «Es ist erschütternd, was in Passau passiert ist«, sagt Karl Rost von der Bürgerinitiative «Wunsiedel ist bunt«. Jahrelang stemmte sich die Stadt gegen Neonazis, die bis 2004 «Gedenkmärsche« für den hier begrabenen Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess abhalten durften. Zuletzt kamen über 5000. «Der Gesetzgeber geht einfach zu lasch gegen die Rechten vor«, so Rost. Und das, obwohl an deren Gewaltbereitschaft nach Passau und mit Blick auf die übrigen Straftaten mit rechtsextremen Hintergrund überhaupt kein Zweifel mehr bestehen dürfte.

Laut Bundesinnenministerium wurden im letzten Jahr insgesamt über 17000 rechtsextremistisch motivierte Straftaten registriert. Allein in der Region Passau verdoppelte sich die Zahl in diesem Jahr im Vergleich zu 2007 auf 83. Der bayerische Verfassungsschutz zählte im letzten Jahr neben Propagandadelikten auch «82 brutale und menschenverachtende Gewalttaten« in Bayern. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremen allein im Freistaat lag laut Verfassungsschutz 2007 bei rund 1100. Beratungsstellen wollen seit 1990 zudem 136 Todesopfer rechter Gewalt gezählt haben. «Das ist kein kulturelles Phänomen mehr, dass sich politisch bekämpfen lässt«, sagt Michael Helmbrecht vom Bürgerbündnis in Gräfenberg, wo ein Denkmal für Weltkriegsgefallene zur Pilgerstätte der Rechtsradikalen geworden ist.

Regelmäßige Drohung

Seit zwei Jahren marschieren sie hier monatlich auf und bedrohen Engagierte wie Helmbrecht oder auch Bürgermeister Werner Wolf persönlich im Internet, mit Briefen, auf Flugblättern oder mit Farbbeutelwürfen auf das Haus. Vor dem Hintergrund der Messerattacke gegen den Passauer Polizeidirektor und den Zahlen von Innenministerium und Verfassungsschutz «wird es einem da schon mulmig«, so Helmbrecht.

Alleine die Verschärfung des Versammlungsrechts, wie sie in diesem Jahr in Bayern beschlossen wurde, genüge einfach nicht mehr. «Der Weg dahin mag schwierig sein, aber aus meiner Sicht muss es ein Verbot der NPD geben. Die schaffen das geistige Klima für die Gewalt.«