Gesellschafts-Studie

Die Zukunft macht vielen Deutschen Angst

14.10.2021, 14:50 Uhr
Der Blick in die Zukunft fällt für viele Deutsche eher düster aus. 

© Arne Dedert, dpa Der Blick in die Zukunft fällt für viele Deutsche eher düster aus. 

Wie blicken die Menschen in Deutschland in die Zukunft? Eine nur auf den ersten Blick einfache Frage, der das Marktforschungsinstitut Rheingold mit einer Studie auf den Grund gehen wollte. "Schon bei den ersten Zwischenergebnissen haben wir uns gefragt, ob wir das Thema verfehlt haben", berichtet Stephan Grünewald. Denn schnell zeichnete sich ab, dass für viele Menschen der Blick in die Zukunft von zahlreichen Alltagsfragen verstellt und überlagert wird.

Fundamentale Verunsicherung

"Eine fundamentale Verunsicherung" hat Rheingold-Gründer Grünewald festgestellt, die durch die Corona-Pandemie noch verstärkt wurde. Das Virus stellte den Alltag vieler Menschen auf den Kopf, sie fühlten sich allein gelassen. "Das Vertrauen, dass Staat, Politik, Institutionen und Parteien die Krisen lösen können, ist erodiert", sagt Grünewald, der sich auch als Bestseller-Autor ("Deutschland auf der Couch") einen Namen gemacht hat. Gerade einmal 26 Prozent der Befragten gaben an, dass sie das Wirken von Politik und Parteien optimistisch für die Zukunft stimme.

Als Reaktion auf einen unüberwindlich erscheinenden Berg an Problemen - von Klimawandel, Flüchtlingskrise bis Staatsschulden - hätten sich viele Bürger ins Private zurückgezogen. "Sie haben sich im eigenen Schneckenhaus eingerichtet, der Blick nach außen macht Angst", erklärt der Psychologe und spricht von einem "Machbarkeitsdilemma". Denn sie hätten durchaus erkannt, vor welch großen Herausforderungen die Menschheit stehe, doch Lösungen dafür sähen sie nicht. Die logische Konsequenz sei daher eine Art "Zukunftsvakuum". Grünwald: "Die Menschen denken nicht mehr in globalen Dimensionen. Sie interessieren sich nur noch für den eigenen Bereich".

Sechs Zukunftstypen

Dabei werden in der Studie sechs verschiedene Zukunftstypen unterschieden. Auf der einen Seite stehen die sogenannten Eingekapselten, die sich komplett von der Außenwelt abschotten. Für die Familiären sind vor allem die Kinder und deren Zukunft wichtig. Die dritte Kategorie sind die Selbst-Ermächtiger, die nur persönlichen Erfolg und Karriere im Blick haben. Typ vier sind die Tribalisten, die sich mit Gleichgesinnten zusammentun und auf diese Art und Weise etwas bewegen wollen. Darüber hinaus gibt es noch die Fortschritts-Illusionisten, die überwíegend im Wohlstand leben und ihre Sorgen an andere delegieren - etwa, indem das Klimaproblem durch technologischen Fortschritt gelöst werden soll.

Und schließlich gibt es noch die Missionierenden, die sich meist auf einen Aspekt fokussieren. "Das sind oft Jüngere, die überzeugt sind: Wenn ich dieses Thema in den Griff bekomme, dann kriege ich das Ganze in den Griff", erklärt Grünewald und nennt etwa Klimaschutz, Ernährung oder Mobilität als Beispiele.

Die Autoren der Studie sehen hier aber auch hoffnungsvolle Zeichen. Im Land habe sich eine "Graswurzel-Mentalität" breit gemacht: die Überzeugung, mit vielen kleinen Initiativen etwas Sinnvolles beitragen zu können. So habe etwa die große Welle der Hilfsbereitschaft nach der Flutkatastrophe gezeigt, dass die Menschen gerne selbst anpacken.

"Wir erleben eine Zeitenwende", fasst Grünewald die Studienergebnisse zusammen. Doch ob sich der Trend zum Rückzug ins Private durchsetzt oder die Kräfte des gesellschaftlichen Aufbruchs, das lasse sich derzeit noch nicht vorhersagen.

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