Im Schlaf

Luzides Träumen: So steuern Sie die eigenen Träume

Simone Madre

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2.11.2023, 12:10 Uhr
Luzides Träumen kann man lernen. 

© McPHOTO / BBO via www.imago-images.de Luzides Träumen kann man lernen. 

In diesem Artikel:

Wer möchte nicht wissen, was im nächsten Traum passiert und diesen sogar für sich nutzen? Nie wieder Alpträume, sondern Träume, an die man sich gerne erinnert. Träumen ist für einige Menschen bewusst steuerbar – dieses Phänomen nennt sich "luzides Träumen". Mit den richtigen Methoden lässt sich luzides Träumen lernen.

Luzides Träumen ist auch als "Klartraum" bekannt und bezeichnet einen Traum, in dem sich der Träumer bewusst ist, dass er träumt. Er kann seinen Traum sogar aktiv steuern und beeinflussen. Was er erlebt und mit seinen Sinnen wahrnimmt, wirkt oft klar und real.

Das Steuern und Beeinflussen kann dabei auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden: In jedem Fall kann man bewusst mit anderen Traumfiguren sprechen und sich dorthin bewegen, wo man hinmöchte. Erlangt man mehr Kontrolle, kann man den Traum sogar "umbauen" und direkt entscheiden, was um einen herum passiert.

Diese Faktoren prägen laut dem Psychologen Paul Tholey einen Klartraum:

1. Klarheit über den Bewusstseinszustand: Der Träumende ist sich bewusst, dass er träumt

2. Klarheit über die Entscheidungsfreiheit: Der Träumende weiß hier, dass er beispielsweise vor einer Figur aus dem Albtraum flüchten oder versuchen kann, sich mit ihr anzufreunden

3. Klarheit des Bewusstseins: Kein Verwirrtheits- oder Dämmerzustand

4. Klarheit über das Wachleben: Der Träumende weiß, wer er ist und was er sich für diesen Traum vorgenommen hat

5. Klarheit der Wahrnehmung: Der Träumende ist sich bewusst, was er sieht, hört, riecht, schmeckt und fühlt

6. Klarheit über den Sinn des Traums: Der Träumende weiß, warum er genau diesen Traum hat

7. Klarheit der Erinnerung an den Traum: Der Träumende kann sich am nächsten Tag an den Traum erinnern

Tholey ist einer der ersten Wissenschaftler, der luzides Träumen erforscht hat. Mindestens die ersten vier Faktoren müssen laut Tholey gegeben sein, damit man von einem Klartraum statt von einem gewöhnlichen Traum sprechen kann. Die anderen drei können zusätzlich auftreten.

Vor allem im Rahmen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und den dabei auftretenden Albträumen wird luzides Träumen in der Psychotherapie angewendet. Das ist eine begleitende Behandlung, die den Betroffenen helfen soll, die beängstigenden Träume in eine positive Richtung zu lenken.

Jeder Mensch besitzt prinzipiell die Fähigkeit, Klarträume zu erleben. Doch nur wenige Menschen können ihre Träume auch bewusst steuern. Diese Menschen werden als "Oneironauten" (Seefahrer) durch ihre Träume bezeichnet. Bei den meisten Menschen bleibt das vorhandene kognitive Potenzial jedoch ungenutzt. Auch Menschen, die ansonsten keine Erinnerung an ihre Träume haben, können dieses mit der richtigen Technik lernen.

Luzides-Träumen: Die MILD-Methode

Um luzides Träumen zu erlernen, gibt es mehrere Methoden. Die unkomplizierteste Vorgehensweise ist die MILD-Methode (Mnemonic Induction of Lucid Dreams = Gedächtnis-induzierter Klartraum), die aus den folgenden Schritten besteht:

1) Traumtagebuch führen

Wer die Träume steuern möchte, sollte ein Traumtagebuch führen. Dabei werden jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen die Träume notiert, an die man sich erinnern kann. Vor dem Schlafen kann man die Notizen durchlesen und so den Traum mit höherer Wahrscheinlichkeit noch einmal durchleben. Diese Methode soll die Traumverarbeitung im Gehirn anregen und das sogenannte Traumgedächtnis schulen. Somit kann man sich auf die Steuerung der Träume vorbereiten. Im besten Fall wird die Erinnerung an die Träume mit der Zeit immer detaillierter. Zudem lernen Betroffene, einen Traum von der Realität zu unterscheiden. Dabei helfen auch erkannte Traummuster, also Gegenstände oder Szenarien, die immer wieder in Träumen auftreten.

2) Schlaf-Mantra

Ein Schlaf-Mantra kann ebenfalls dabei helfen, luzides Träumen zu lernen. Das Mantra sagt man sich selbst vor dem Schlafengehen auf und ruft sich somit einen einprägenden Satz ins Gedächtnis. Dies könnte sein: "Das nächste Mal, wenn ich träume, werde ich mich daran erinnern, dass ich träume" oder "Wenn ich aufwache, kann ich mich an meine Träume erinnern".

3) Reality-Checks

Die regelmäßige Durchführung von Reality-Checks kann ebenfalls Klarträume hervorrufen. Um den Traum zu steuern, muss man sich bewusst sein, dass man träumt. Mithilfe von Reality-Checks kann man in der Tiefschlafphase prüfen, ob man sich tatsächlich im Traum befindet. Dieser Check muss vorher im Wachzustand eingeübt werden. Beispielsweise kann man sich mehrfach am Tag die Nase zu halten. In der Realität würde man Atemschwierigkeiten bekommen, während dies im Traum kein Problem darstellt. Kann man unerwarteter Weise problemlos weiteratmen, befindet man sich im Traum und nicht in der Realität.

Alternativ kann man sich mehrfach am Tag fragen, ob man wach ist oder träumt. Diese Frage muss man jedes Mal ernsthaft erwägen und für sich beantworten, um eine kritische Haltung einzuüben. Wird das zur Routine, stellt man sich diese Frage auch im Traum und sucht dann nach Zeichen, ob das Erlebte real ist oder nicht. Schafft man es, etwas Bizarres und Surreales zu entdecken, löst das im besten Fall einen Klartraum aus.

4) Richtige Ernährung und Schlafqualität

Für eine gute Schlafqualität ist die Lebens- und Ernährungsweise von entscheidender Bedeutung. Eine wichtige Voraussetzung für das Träumen ist nämlich die Tiefschlafphase (REM-Schlaf). Die meisten Träume erleben wir in der REM-Phase. Für sie benötigt der Körper einen gut ausbalancierten Hormonhaushalt mit genügend Melatonin (Schlafhormon). Wenn es dunkel wird, wird die Melatonin-Produktion angekurbelt und sorgt für einen erholsamen Schlaf. Wenn der Körper nicht ausreichend Melatonin entwickelt, ist das Schlafverhalten gestört. Vor dem Schlafen sollte man deshalb auf Handys und andere Bildschirme verzichten und lieber bei gedimmten Licht ein Buch lesen.

Weitere Techniken sind:

  • Die WILD-Methode (WAKE Initiated Lucid Dream): Der Träumende gelangt vom Wachzustand direkt in den luziden Traum. Dies kann mit einer Meditation verglichen werden, aber ist für Laien ohne Übung kaum durchführbar.
  • Die WBTB-Methode (Walking back to bed): Der Wecker wird bei dieser Methode auf vier oder fünf Stunden nach dem Einschlafen gestellt. Dadurch erlebt man etwa drei REM-Phasen, hat aber noch etwas Schlaf vor sich. Wenn der Wecker klingelt, bleibt man für etwa 30 Minuten wach und durchläuft einen Reality-Check oder spricht sein Mantra, um in der nächsten Schlafphase in den luziden Traum zu gelangen.

Weitere hilfreiche Tipps können Sie in Büchern, wie etwa "Luzides Träumen: Wie du deine Träume bewusst gestalten und für den Alltag effektiv nutzen kannst" von Andreas Schwarz finden.

Wer luzid träumen kann, kann möglicherweise auch im Wachzustand seine eigenen Denkprozesse besser reflektieren. Hierzu haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts 2015 geforscht. Unter den rund 60 Testpersonen wiesen die Klarträumer einen größeren präfrontalen Kortex aus. Genauer gesagt, waren die Bereiche BA9 und BA 10 vergrößert.

Zudem kann man in Träumen die Fähigkeiten trainieren, die man in der Realität benötigt. So kann das Halten einer Präsentation im Traum dazu führen, dass Menschen ihren Vortrag detailliert durchgehen und so intensiv einüben. Das nimmt die Aufregung vor der Präsentation und schult die Merkfähigkeit. So etwas machen auch manche Sportler, die Bewegungsabläufe einüben wollen.

Menschen, die unter Albträumen leiden, können in luziden Träumen ihren inneren Ängsten aktiv begegnen und diese bewältigen.

Auch wenn luzides Träumen viele positive Effekte bietet, sollte die Anwendung von bestimmten Personengruppen mit Vorsicht erfolgen. Bei Menschen mit einer Psychose sind luzide Träume gefährlich, da sich die Halluzinationen noch weiter verstärken können. Außerdem kann dies eine Vermischung der inneren und äußeren Realität begünstigen.

Während Klarträume überwiegend mit der Erfüllung von Wünschen und positiven Emotionen einhergehen, können auch albtraumhafte, luzide Träume auftreten. Da Träumende nicht immer in der Lage sind, ihre Traumumgebung zu kontrollieren, besteht die Gefahr, dass negative oder angstauslösende Bilder auftauchen, die nun nicht mehr verändert werden können. Daraus kann ein spontanes, schreckhaftes Erwachen wie bei Albträumen resultieren. Vor allem im therapeutischen Kontext muss die Technik des luziden Träumens professionell angeleitet werden, um unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden.

Luzides Träumen hat einige Gemeinsamkeiten mit der sogenannten Schlafparalyse, letztere ist für die Betroffenen aber normalerweise sehr unangenehm. Sie erleben beim Einschlafen oder Aufwachen, dass sie zwar noch bei Bewusstsein sind, aber ihren Körper nicht mehr bewegen können. In Verbindung mit der Schläfrigkeit kommen dazu oft Halluzinationen, die den Betroffenen Angst machen können.

Sowohl das luzide Träumen als auch die Schlafparalyse liegen also zwischen Wachheit und völligem Schlaf und erzeugen auch ähnliche Prozesse im Gehirn. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 steht die Häufigkeit von Klarträumen mit der Häufigkeit von Schlafparalysen in Verbindung. Wer häufig luzide Träume hat, leidet demnach auch häufiger an einer Schlafparalyse mit Halluzinationen. Allerdings fanden die Forscher auch Unterschiede: Wer schlecht schläft und angespannt ist, erhöhe sein Risiko einer Schlafparalyse. Klarträume wiederum waren häufiger, wenn man positiven Tagträumen nachhing und sich diese lebhaft vorstellte.