Erlangen: Zählweise sorgt bei Mietern für Unmut

24.7.2015, 19:10 Uhr
Erlangen:  Zählweise sorgt bei Mietern für Unmut

© Foto: Harald Sippel

Schon bald werden die Bagger in der Schenkstraße anrücken – und mit dem Abriss des Gebäudes mit der Hausnummer 166 beginnen. Die Umstrukturierung der sogenannten Housing Area im Osten der Stadt ist beschlossene Sache. Das Vorhaben, auf dem Gebiet die Einwohnerzahl von 900 auf rund 1800 zu verdoppeln, steht längst außer Frage. Daran ließ Oberbürgermeister Florian Janik in der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause keinen Zweifel.

Für die Bewohner der betroffenen Straßenzüge aber ist die Diskussion noch lange nicht ausgestanden. Noch immer brennen den Anwohnern zu den Maßnahmen viele — auch von der Stadt und ihrer Wohnungsbaugesellschaft Gewobau noch unbeantwortete — Fragen unter den Nägeln. Das Bedürfnis nach mehr Informationen und der Wunsch nach Korrekturen sind verständlich. Schließlich wird mit dem Riesenprojekt das gesamte private Umfeld der Mieter komplett auf den Kopf gestellt.

Sechs vorformulierte Fragen

Sechs ihrer Anliegen konnten sie daher schriftlich vorformuliert dem Stadtrat vorlegen. Die Fragen, die dann als eigener Teil in der Sitzung am Donnerstagabend behandelt wurden, bezogen sich vor allem auf die Umfrageaktionen der Gewobau — etwa auf die Zahl der abgegebenen Bögen pro Häuserblock oder auf die Art und Weise der Teilnahme (Briefkasten der Gewobau oder Urne).

Diese Anfragen dürften auf den ersten Blick kleinlich wirken, der Hintergrund aber ist ernster. Einige Vertreter der Mieter-Initiative zweifeln Methode und Ergebnisse der Gewobau-Erhebungen zu den Umbau-Entwürfen nach wie vor an. Tatsächlich hatte es bei der ersten Abstimmung Ungenauigkeiten gegeben, wie Gewobau-Geschäftsführer Gernot Küchler bei einer Informationsveranstaltung im vergangenen Mai sogar selbst einräumen musste. Als Konsequenz kam es zu einer zweiten Mieterbefragung.

Die Befürchtungen vieler Mieter, auch bei der erneuten Briefaktion könnte es zu Unstimmigkeiten gekommen sein, sind nicht völlig aus der Luft gegriffen. Zwar wurde der Vorschlag einer Mieter-Initiative (der eine Teil-Aufstockung vorsieht) als fünfte Alternative teilweise in die Liste aufgenommen — die abgegebenen Stimmen (mit einer Mehrheit von 41,7 Prozent) aber nicht entsprechend berücksichtigt.

Bei der Auszählung wurden die Wertungen für alle vier offiziellen Varianten einfach addiert, was eine Zustimmung von 58,8 Prozent zur Folge hat. Für sich allein aber erhielten die Bebauungspläne nur Werte zwischen 4,1 und 39,6 Prozent. Bei diesem Zählmodus aber wurden die Stimmen für den Alternativ-Plan quasi ungültig gemacht.

Die in der anschließenden Diskussion vorgebrachte Kritik des Linken-Stadtrates Johannes Pöhlmann an der Auswertung war somit nicht völlig abwegig. Die Bürgerbeteiligung sei am Beispiel Housing Area nicht wirklich optimal gelaufen (siehe auch im Inneren unseres Lokalteiles), meinte er. Einen Tick zu heftig waren hingegen die Reaktionen darauf quer durch alle Fraktionen. Zweifel an der Berechnung seien an den Haaren herbeigezogen, tönte es aus allen Ecken.

Ganz besonders echauffierte sich Rathauschef Janik über Pöhlmanns Ausführungen, der doch im Prinzip nur die Haltung etlicher Housing-Area-Bewohner wiedergab. Für das Stadtoberhaupt aber ist der unter anderem durchaus berechtigte Einwand, man könne die Wohnungsnot nicht allein auf dem Rücken der Bewohner in der Schenk- und Johann-Kalb-Straße austragen und müsse im Stadtgebiet nach weiteren möglichen Orten für Nachverdichtungen suchen, „reine Stimmungsmache“. Auch der häufige Hinweis auf jene Menschen, die dringend eine günstige Wohnung brauchen, reicht zur Erklärung nicht aus.

Denn so besteht die Gefahr, dass alte (sogenannte Bestandsmieter) und neue Bewohner gegeneinander ausgespielt werden. Zumal sich aber weder die Mehrheit der Housing-Area-Bewohner noch Johannes Pöhlmann dem Umbau völlig verschließt.

„Die Stadt befindet sich daher in einer „komfortablen Situation“, sagte der Linken-Stadtrat. Die Bewohner stünden — im Gegensatz etwa zu Büchenbach, wo eine potenzielle Nachverdichtung sofort am Frontalwiderstand der Anwohner gescheitert ist — nicht generell im Weg. „Aber wenn die Bürger schon zustimmen, ginge es dann nicht eine Nummer kleiner?“, wollte Pöhlmann deshalb wissen.

Genau das aber geht, so will es die Erlanger Stadtspitze, in diesem Fall eben nicht. Das machte die recht emotionale Debatte deutlich. Selten waren sich die Volksvertreter wohl so einig wie bei der Housing Area.

Die CSU-Fraktionsvorsitzende Birgitt Aßmus beispielsweise wies darauf hin, dass es nicht nur in der Housing Area Nachverdichtungen gebe, sondern ebenfalls am Anger, in der Brüxer Straße oder rund um die Paul-Gossen-Straße. Grünen-Fraktionschef Wolfgang Winkler erwartet von der Neustrukturierung nicht nur Belastungen, sondern auch Bereicherungen.

SPD-Rätin Birgit Hartwig, so berichtete sie, sei bei einer Fahrt nach München auf Menschen getroffen, deren Wohnumfeld nach einer Nachverdichtung eine völlig neue Lebensqualität biete. Dass es auch in der Landeshauptstadt massiven Protest gegen solche Maßnahmen gibt, erwähnte die Politikerin indes mit keiner Silbe.

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