Start ins Jubiläumsjahr

24.3.2015, 19:23 Uhr

Buchstäblich alle Register zog Organist und Regionalkantor Erich Staab auf der Orgel des einladenden Kirchenraums. Staab entfachte – trotz der beschränkten instrumentalen Möglichkeiten der Metzler-Orgel – die expressive und experimentierfreudige Klangwelt des französischen Komponisten Jean Langlais (1907-1991). In dessen eindrucksvollem Oeuvre vereinen sich Gregorianik, Cantus-firmus-Variationskunst mit teils höchst virtuoser und abstrakter Klangfülle. Staab überraschte hierbei – etwa in der „Hommage à Frescobaldi“ mit Registrierungen des Themas mit Krummhorn, Cymbal und variierte reizvoll und gekonnt von Satz zu Satz.

Mächtig entfaltet sich das Kirchenlied „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“, brausen die berühmten „Accalamations“ prachtvoll auf. Das beeindruckte, setzte einen wirkungsvollen Kontrapunkt zum A-Cappella-Programm des „Amadeus-Chores“. Der aus Neuendettelsau angereiste Chor unter der fabelhaften Leitung des jungen Benedikt Haag hatte schwierigste Chorsätze der Passionszeit zwischen Renaissance und Moderne bestens vorbereitet. Es ging dem engagierten und präzise agierenden Chorleiter dabei darum, den Dialog, stilistische Entwicklungen und Beeinflussungen aufzuzeigen.

Das gelang großartig in der reizvollen Gegenüberstellung der Vokalpolyphonie von Palestrina, Lassus und Allegri mit den Kompositionen von Nystedt, Pärt und Barkauskas. Der 35-köpfige Chor beherrscht die sakrale Hochgesangskultur bestens, beeindruckte mit Doppelchörigkeit, bester Intonation, Konzentration und Gestaltung. Wunderbar in seiner Reinheit erklang die Doppelchörigkeit von Chor – und Soloversen in Gregorio Allegris „Miserere mei“. Herausragender Höhepunkt war das „Stabat Mater“ des litauischen Komponisten Vytautas Barkauskas.

In der Vertonung des ersten Verses der mittelalterlichen Textvorlage fächert sich der Schmerz der Gottesmutter tonbildlich exzessiv auf. Das war höchst spannend, eindrucksvoll: Wie ein Laserstrahl verliert sich der solistische Sopran-Schmerzensschrei in unendlich glissandierender Höhe, in bodenlosem Schmerz. Flüstern, Deklamieren, Stagnation zeichnen hier ein sinnbildliches, ergreifendes Tongemälde.

500 Jahre Musikgeschichte

Dazu stand – im Gegensatz – die formstrenge betrachtende Polyphonie und Architektur von Palestrinas „Stabat mater“. Welch’ eine Reichweite ein und desselben Textes!

Desgleichen gibt es von der Gegenüberstellung des „O Crux splendidor“ zu berichten: Bei Nystedt dissonante subtile Spaltungen als Sinnbild für das „Kreuz“, bei Lassus strenge Vokalpolyphonie.

Mit diesem beeindruckenden Konzert mit über 500 Jahren kunstvoller Musikgeschichte wären somit bereits zwei Drittel des Tennenloher historischen Bestehens kulturell aufgefächert. Zudem hatten der „Amadeus-Chor“, Benedikt Haag und Erich Staab einen musikalisch beeindruckenden Beitrag zur Passionszeit geleistet.

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